Prominent beleuchtet ist in der Ausstellung eine Statue desjenigen römischen Kaisers zu finden, der Westfalen einst dem Imperium Romanum einverleiben wollte:
Der Augustus von Prima Porta.
Auf seinen Befehl hin setzten sich Legionen nach Germanien in Marsch. Veranschaulicht wird dies durch die Anordnung der Vitrinen, welche aus der Wand heraus, in drei Reihen, in den Raum ausgreifen. Die Anzahl drei steht für die drei Legionen, die im Jahr 9 n. Chr. in der Varusschlacht aufgerieben wurden. Die einzelnen Vitrinen selbst sind mit römischen Hinterlassenschaften aus Westfalen gefüllt.
Im Gegensatz zu diesen Exponaten ist die Augustusstatue nicht im Original in unserer Region gefunden worden, sondern etwas nördlich von Rom, in der Villa der Livia, bei Prima Porta. Diesem Fundort, an dem das Kaiserbildnis 1863 ausgegraben wurde, verdankt das marmorne Monument seine (heutige) Bezeichnung. Die Statuenkopie in der Herner Ausstellung ist aus einer Gips-Marmor-Mischung im Jahr 2002 eigens für das Museum in Münster gefertigt worden. Dieses Material soll den feinen Marmor von der griechischen Insel Paros des Originals imitieren. Der vielschichtige Abguss entstand nach einer Form aus München und ist innen hohl.
Wie viele andere antike Statuen war auch die Panzerstatue von Prima Porta einst bemalt: Davon zeugen Farbreste, die durch gezielte Untersuchungen nachgewiesen werden konnten. Der Farbe kam, genauso wie heute, auch in der Antike eine zentrale Bedeutung zu: Sie ermöglichte es, Details hervorzuheben, die mit dem Meißel nicht wiedergegeben werden konnten, verbesserte insgesamt die Lesbarkeit der Darstellung und eröffnete dem Betrachter eine neue Dimension. Für die Bemalung der Prima-Porta-Statue wurde eine überschaubare Farbpalette gewählt: Wie viele Farben genau verwendet wurden, ist jedoch strittig.
Doch nicht alle Teile der Staue waren coloriert; einige Bereiche wurden bewusst ausgespart. Dies ermöglichte dem Betrachter, die hohe Qualität des verwendeten besten parischen Mamors wahrzunehmen: Wäre das Kaiserbildnis vollständig bemalt gewesen, so hätte man den Unterschied zu einer Figur aus minderwertigem Material nicht mehr erkennen können.
Die mit 2,07 Metern Höhe leicht überlebensgroße Porträtstatue vermittelt vielfältige Botschaften:
Betrachtetet man das Monument in seiner Gesamtheit, so fällt der Schrittstand des Kaisers auf: Das linke Bein ist so weit zurückgesetzt, dass nur die vordersten Zehen den Boden berühren. Im Gegensatz zum rechten (Stand)Bein ist es sogar um einige Zentimeter länger. Diese Fußhaltung ist von klassischen griechischen Vorbildern entlehnt.
Die Stütze, die eine solche Marmorstatue benötigt, um ein Umkippen zu vermeiden, wurde kunstvoll und bedeutungstragend in die Komposition integriert: Sie ist verkleidet mit einem Delphin, auf welchem ein Amor reitet; dadurch wird auf die göttlichen Wurzeln des Kaisers verwiesen, denn der Liebesgott Amor ist der Sohn der Venus, der sagenhaften Stammmutter des iulischen Geschlechts.
Die Füße des Princeps sind nackt. Der Kaiser trägt eine kurze Tunica, welche an den Schultern und über den Knien sichtbar wird; über dieser trägt er einen Brustpanzer, der hauteng modelliert ist und seinen Bauchnabel freigibt. Unter dem Panzer trägt Augustus ein Paludamentum, seinen Feldherrenmantel. Dieser wird an beiden Enden von seinem linken Arm gehalten. Sein rechter Arm ist nach vorne ausgestreckt. Da einige Finger verloren sind, ist nicht auszuschließen, dass er einst ein Attribut in den Händen hielt. War dies nicht der Fall, so war die Hand mit allergrößter Wahrscheinlichkeit im Redegestus ausgestreckt. In dieser Form präsentiert er sich auch dem Betrachter in der Dauerausstellung.
Der Kaiser wendet seinen Kopf leicht zur rechten Seite; als Frisur wurde die für den augusteischen Haupttypus charakteristische Lockenformation gewählt.
Die Rückseite der Statue ist nicht vollständig ausgearbeitet, dies deutet auf einen Aufstellungsort vor einer Wand oder in einer Nische hin. Passenderweise ist er auch im
LWL – Museum für Archäologie in einer eigenen Nische präsentiert. Diese Position an der Wand veranschaulicht im Besonderen das Ausgreifen Roms – auf Befehl des Augustus – nach Westfalen. Der Kaiser wollte das Gebiet zwischen Rhein und Elbe dem Imperium Romanum einverleiben. Ungeachtet der Varuskatastrophe von 9 n. Chr. schrieb er in seinen Tatenbericht: „Ich habe Germanien erobert bis zur Mündung der Elbe“ (RGDA 26). Sein Nachfolger befahl allerdings vor 2000 Jahren den Rückzug aus Germanien, diesem Topos widmet sich aktuell auch eine Sonderausstellung im LWL – Römermuseum Haltern.