ExtraSchicht 2016

27.06.2016

Feuerschalen und Scheinwerfer beleuchten den Museumspark (Foto: Marcus Coesfeld)

Fast ins Wasser gefallen und doch ein großer Erfolg!

„Das wird wohl nichts, heute“ sagten wir uns am vergangenen Samstagmittag. „Wir“, das sind die Mitarbeiter des LWL-Museums für Archäologie. „Das“ meinte die ExtraSchicht – Die Nacht der Industriekultur. Und es sah wirklich so aus, als würden wir nicht viele Besucher zu erwarten haben: Nicht nur fanden gleich drei Fußballspiele der Europameisterschaft an diesem Abend statt – es regnete auch schon den ganzen Tag über aus allen Löchern. Bei dem Wetter durch den Ruhrpott zu ziehen und sich Kultur antun? Darauf würde nicht jeder Lust haben, wenn er oder sie stattdessen einen gemütlichen Fußballabend verbringen könnte.

Gesandtschaft der musikalischen Formation Dopo Domani (Foto: Marcus Coesfeld)

Und das Pech hat uns verfolgt, denn am Vortag war unser Fahrstuhl ausgefallen und konnte nicht rechtzeitig repariert werden. Was für den einen oder anderen Besucher ärgerlich war – an der Stelle sei hierfür noch einmal eine Entschuldigung ausgesprochen! – ist auch für die Museumsmitarbeiter nicht einfach: Bereiten Sie einmal an einem schwül-heißen Tag eine Großveranstaltung vor und  laufen 20 Mal hintereinander sechs (= gefühlte 60) Etagen rauf und runter! :-)

Die Profis vom Sachsenhof beim Schmieden (Foto: Marcus Coesfeld)

Dabei hatten wir schon Monate vorher fantastische Pläne erstellt, wie wir unser Gelände dieses Jahr ganz besonders bespielen könnten. Unter dem Motto „Historisches Handwerk“ haben wir diesmal ein so volles Programm wie noch nie auf die Beine gestellt. Man sollte so viel wie möglich selbst mitmachen und ausprobieren können. Und da unsere Dauerausstellung ja unter der Erde liegt und wir die Nacht mit Feuer zum Brennen bringen wollten (dazu später mehr), haben wir uns dieses Mal einen Weg überlegt, wie wir exklusiv für die Besitzer des ExtraSchicht-Tickets Platz für NOCH mehr Angebote – eben mit Feuer – aufstellen konnten. Also haben wir unser „Museum im Park“ im Schweiße unserer Angesichter mit schweren Bauzäunen abgesperrt. Hier sollte es wild werden.

Die Luppe läuft aus dem Rennofen! (Foto: Marcus Coesfeld)

Doch im Regen konnten wir niemanden stehen lassen. War all die Mühe umsonst? Kurzerhand entschlossen wir uns, alle Künstler und Darsteller, die auf dem Außengelände geplant waren und nicht UNBEDINGT auf einen freien Himmel angewiesen waren, ins Foyer und die Dauerausstellung zu führen. Und Plan B ging auf:

Riesen-"Vier Gewinnt" vom Spielezentrum (Foto: Katja Burgemeister)

Der knallrote Spielebus des Spielezentrums Herne blieb draußen alleine im Schein der spektakulären Feuersäulen stehen. Diese aufzubauen ist übrigens kein Zuckerschlecken gewesen, hat sich aber gelohnt! Jung und Alt spielten nun überdacht im Foyer Riesen-Vier-Gewinnt und andere tollen Spiele. Zwischen unserer vietnamesischen Rikscha und der entstehenden Sonderausstellung „Schätze der Archäologie Vietnams“ konnten unsere Besucherinnen und Besucher zudem Origami-Tiere basteln und sich über Vietnam informieren.

Die Vietnam-Rikscha (Foto: Katja Burgemeister)

Auch unseren Steinzeit-Experten Hartmut Albrecht alias BLUMAMMU mussten wir in den „Wald der Geschichte“ unserer Ausstellung verlegen. Sehr zu seinem Leidwesen, denn er hatte eigentlich vor, einen jungsteinzeitlichen Eintopf auf einem Lagerfeuer zuzubereiten. Doch auch ohne seine Kochkünste begeisterte er alle Besucherinnen und Besucher durch sein imposantes und authentisch anmutendes Steinzeit-Auftreten. Mit ihm vom Außengelände in die Ausstellung gewandert ist der mittelalterliche Krämer Benjamin Lammertz samt Gefährtin. Beide beeindruckten mit mittelalterlichen Gewürzen.

Der mittelalterliche Krämer klärt über den Gewürzhandel auf. (Foto: Katja Burgemeister)

Aber in der Ausstellung war noch viel mehr zu erleben! Neben Textilherstellung durch die Jahrhunderte, betreut von Sylvia Crumbach, die schon zur „Nacht unter Tage“ die historische Modenschau bei uns veranstaltet hatte, konnte man bei Michaela Löbbert vieles über Knochenschnitzerei lernen, bei Marianne Gorissen die mittelalterliche Kunst der Kalligraphie  erlernen und bei Achim Schröder eigene Kettengeflechte herstellen. Ein eigenes Kettenhemd wäre sicher auch möglich gewesen, doch dazu reicht selbst eine achtstündige ExtraSchicht zeitlich nicht aus.

BLUMAMMU in Steinzeit-Action! (Foto: Marcus Coesfeld)

Neben den obligatorischen halbstündigen Führungen durch die Ausstellung gab es ein ganz besonderes Vermittlungsangebot von ganz besonderen Vermittlern: Schüler der Realschule Crange hatten sich in den Wochen zuvor in den Steinzeit-Bereich eingearbeitet und haben nun unsere Besucherinnen und Besucher an ihrem Wissen teilhaben lassen. Und das war nicht unser einziges Projekt mit Schülern! Im GrabungsCAMP wurden im Vorfeld Schülerinnen und Schüler vom Haranni-Gymnasium zu Grabungsleitern ausgebildet. Einige von ihnen hatten bereits an unserer MINT-Herbst-Akademie teilgenommen und der Rest hat auch so schnell gelernt, dass sie unsere Gäste perfekt in die archäologischen Arbeitsweisen einführen konnten.

Kalligrafie macht Spaß! (Foto: Katja Burgemeister)

Zusätzlich führte die durch Susan Bursche geleitete Eisenzeit-AG der Heinrich-Böll-Gesamtschule Bochum – wie auf der letzten ExtraSchicht 2015 – eine Eisenverhüttung mit einem Rennofen durch. Weil hier Feuer im Spiel war, musste die Aktion draußen stattfinden. Das feuchte Wetter war eine Herausforderung. Nur die Harten komm‘ in den Garten – bei uns ins GrabungsCAMP, denn die Schülerinnen und Schüler haben dort gezeltet! Und auch diesmal glückte es ihnen, Eisenerz zum Schmelzen zu bringen. Mit großartiger Unterstützung der Profis vom Sachsenhof in Greven, die unter der Leitung von Bernhard Reepen direkt daneben Schmieden wie vor 2500 Jahren demonstrierten, haben sie am Folgetag aus dem gewonnenen Eisen noch etwas geschmiedet.

Kettenschmuck selber machen! (Foto: Marcus Coesfeld)

Mit dabei waren zudem Norbert Reuther, der nicht nur Bogenschießen anbot, sondern auch zeigte, wie man Bögen früher hergestellt hat, und Jessica Burri, die mit mystischen Klängen begleitet historische Sagen und Märchen vortrug – ein einmaliges Erlebnis! Leider hat nicht gleich jeder den Weg dorthin gefunden. Was tun? Den hunderten von Gästen einzeln sagen, in welchem Raum sich ein Besuch lohnt? Kein Problem: Den ganzen Abend über sorgte eine Gesandtschaft der musikalischen Formation Dopo Domani mit ihrer Musik und sogar mit orientalischen Tänzen für Stimmung! Kurzerhand haben sie sich als Wegweiser angeboten.

Schüler als Grabungsleiter im GrabungsCAMP (Foto: Marcus Coesfeld)

Das alles sind Programmpunkte, die neben dem fantastischen Essen aus dem MuCa, für jeden einsehbar waren. Doch ein Großteil der Arbeit lag auch beim Sicherheitspersonal, beim Kassenteam, und bei unseren freiwilligen Volunteers, die mit ihren blauen ExtraSchicht-Shirts gut sichtbar für unsere Gäste permanent für offene Fragen da waren: Wo sind die Toiletten? Welche Bahnverbindung führt zum Bergbaumuseum? Wie komm ich dahin, wo das Feuer brennt? Warum ist das LWL-Museum für Archäologie  auch dieses Jahr wieder so sensationell aufgestellt? Letztere Frage möchte ich hier beantworten: Weil es uns Freude macht!

Fast wäre die ExtraSchicht ins Wasser gefallen. Vieles sprach für einen „ruhigen Abend“. Und doch bebte der Boden und wir konnten wieder einmal zeigen, dass Spaß und Kultur keine Widersprüche sind. Darum hoffen wir, auch nächstes Jahr wieder dabei zu sein und freuen uns schon auf 2017!

 

Marcus Coesfeld