Mit dem Förderverein durch die Klosterlandschaft Ostwestfalen-Lippes

14.09.2012

Die erste Exkursion im 2. Halbjahr 2012 führte die Freunde und Förderer des LWL-Museums für Archäologie und interessierte Gäste nach Ostwestfalen-Lippe. Im Mittelpunkt der Tour stand eine Auswahl an Klöstern der Region, die allesamt im Mittelalter gegründet worden sind. Herr Lagers, Museumspädagoge in Herne, ortskundig in Ostwestfalen und kompetent in allen Fragen zu dem Thema „Klöster des Mittelalters“, war mit von der Partie und hat unsere Vereinsvorsitzende Frau Pingel bei der Planung und den Vorbereitungen der Fahrt unterstützt und stand uns immer Rede und Antwort. Wir starteten am frühen Samstagmorgen um 6:45 Uhr in Herne. Ein kleiner Umweg über den schönen Ort Büren führte uns zunächst nach Böddeken, einer sehr schönen, in einem Tal gelegenen gepflegten Klosteranlage südlich von Paderborn. Das ursprüngliche Damenstift, welches zu den ältesten Klöstern der Region zählt (937 gegründet), wurde nach dem Zerfall zu Beginn des 15. Jahrhunderts von Augustiner-Chorherren aus dem niederländischen Zwolle übernommen. In kürzester Zeit entwickelte sich Böddeken zu einem der größten und erfolgreichsten Reformklöster. Bis heute haben sich weite Teile der Bebauung aus dem späten 15. Jahrhundert erhalten und geben ein eindrucksvolles Bild dieser Zeit. Nach der Auflösung wurde die Anlage 1822 in einen Gutsbetrieb umgewandelt, der bis heute Bestand hat. Einzelne Bereiche werden inzwischen als Internat genutzt. Besonders beeindruckt haben uns die imposanten Ruinen der ehemaligen Stiftskirche.

Von Böddeken führte uns der Weg über das Eggegebirge zum Kloster Corvey östlich von Höxter. Dort erwartete uns Frau Dr. Gai vom Mittelalterreferat der LWL-Archäologie für Westfalen. Als zuständige Archäologin vor Ort erklärte sie uns die Architektur der Basilika und den Westbau. Das ehemalige Reichsstift zählte im Frühmittelalter zu den wichtigsten Zentren der Christianisierung und konnte sich trotz stetigem Bedeutungsverlust ab dem 13. Jahrhundert als Landesherrschaft bis in die Neuzeit hinein behaupten. Der karolingische Westbau gilt als eines der kostbarsten architektonischen Hinterlassenschaften der Karolingerzeit, wovon wir uns staunend überzeugten. Nicht minder interessant war der Besuch der bedeutenden Bibliothek und des Museums. Auf dem Friedhof findet man das Grab des ehemaligen Bibliothekars von Kloster Corvey, Hoffmann von Fallersleben, besser bekannt als Dichter der Zeilen unserer Nationalhymne.

Gegen Mittag fuhren wir zu dem sehr nahe gelegenen Bodendenkmal des Klosters tom Roden. Herr König, Stadtarchäologe der Stadt Höxter, brachte uns die spannenden Erkenntnisse der Ausgrabungen dieses Ortes näher. Im Gegensatz zu Corvey, wo die klösterliche Nutzung nach dem Umbau zu einer weitläufigen Fürstenresidenz kaum noch ersichtlich ist, bieten die Fundamente tom Rodens einen hervorragenden Überblick über eine idealtypische Klosteranlage. Bei strahlendem Sonnenschein schritten wir die Spuren der ehemaligen Propstei des Klosters Corvey ab. Anschließend fuhren wir weiter nach Höxter.

Nach der Mittagspause in einem gemütlichen Biergarten im Herzen Höxters nahm uns Herr König mit auf einen archäologischen Rundgang durch die Weserstadt. Von den vielen spannenden Informationen rund um die Stadtgeschichte und den vielen historisch wertvollen Gebäuden sei besonders die Kilianikirche hervorgehoben. Sofort fielen uns die architektonischen Parallelen zum Westbau Corveys auf. Das im 11. Jahrhundert auf einem Vorgängerbau errichtete Gotteshaus war ursprünglich eine dreischiffige Basilika. Um 1400 wurde die inzwischen eingewölbte Kirche jedoch durch den Abriss eines der Seitenschiffe zu einer zweischiffigen Hallenkirche umgebaut und erhielt die noch heute charakteristische Innenraumarchitektur. Nicht unerwähnt bleiben soll auch unser gewecktes Interesse an einem Gullideckel. Unter diesem Deckel verbarg sich einer der ersten Fundplätze von Herrn König, der inzwischen seit 25 Jahren in Höxter gräbt.

Am späten Nachmittag ging es weiter zum ca. 20 km in nordwestlicher Richtung gelegenen Kloster Marienmünster. Dort bezogen wir vor einer herrlichen Landschaftskulisse Quartier und übernachteten im Schatten der Abtei. Vor dem Schlafengehen spazierte noch eine kleine Gruppe der Teilnehmer bei Dunkelheit über das Klostergelände und schaute kurz in die Kirche hinein, wo gerade eine stimmungsvolle Veranstaltung bei Kerzenschein stattfand. Wie die Kilianikirche in Höxter weist auch die Abteikirche deutliche Parallelen zu Corvey auf. Beide haben sich den Westbau der Weserabtei zum Vorbild genommen.

Nach einer erholsamen Nacht und einem guten Frühstück gab uns Herr Hildebrandt, der sich schon mehrfach mit Marienmünster befasst hat, am Sonntagmorgen sein Wissen über Kloster Marienmünster weiter: 1128 von Graf Widukind von Schwalenberg gestiftet (Grabplatte im Chorraum der Kirche), konnten sich die Benediktiner trotz vieler Rückschläge bis zur Säkularisation vor Ort behaupten. Die barocke Innenausstattung demonstriert eindrucksvoll die zweite Blüte nach dem dreißigjährigen Krieg, der das Kloster arg gebeutelt hatte. Die farbintensive Gewölbeausmalung, das hochwertig verarbeitete Chorgitter und das opulente Chorgestühl haben uns besonders fasziniert. Leider war die berühmte Kirchenorgel des westfälischen Orgelbauers Johann Patroclus Möller (1698-1772) aufgrund von Restaurierungsmaßnahmen völlig eingerüstet, was den Gesamteindruck aber in keiner Weise schmälerte. Mit einem Rundgang über das weitläufige und sehr beschauliche Klostergelände endete unser Aufenthalt in Marienmünster.

Unser nächstes Ziel war das bei Lügde gelegene Kloster Falkenhagen. Im Gegensatz zur Klosterkirche von Corvey und zur Kilianikirche in Höxter handelt es sich hier um eine vergleichsweise schlichte Kirche der Kreuzherren (Regularkanoniker des Ordens vom Heiligen Kreuz). Herr Gerking, lippischer Heimatforscher und selbst wohnhaft in Lügde, erzählte uns sehr anschaulich, wie sich das ursprüngliche Zisterzienserinnenkloster über die Jahrhunderte dem Wandel der Zeiten unterwerfen musste. Nachdem die Zisterzienserinnen das Kloster infolge der Eversteiner Fehde aufgrund von massiven Zerstörungen aufgeben mussten, ließen sich zunächst Wilhelmiten und kurze Zeit später Kreuzherren vor Ort nieder. Sie bauten das Kloster wieder auf und rekultivierten das Umland. Bis heute haben sich neben der Kirche nur noch der Ostflügel der Klausur sowie der zweijochige Kapitelsaal erhalten. Ob es sich dabei wirklich um den Kapitelsaal handelt, oder ob in dem Raum nicht vielmehr die Sakristei untergebracht war, ist umstritten. Die noch bestehenden Gebäude sind in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden. Die Kirchenfenster gehören zu den ältesten in Westfalen.

Die Mittagspause legten wir in Herford ein, dem letzten Ort unserer zweitägigen Exkursion. Hier erwartete uns der Bielefelder Historiker Professor Dr. Rüthing, der vielen noch in bester Erinnerung war durch seinen in der Vorwoche im Museum gehaltenen Vortrag zur ostwestfälischen Klosterlandschaft im Spätmittelalter. Herr Prof. Dr. Rüthing führte uns zunächst auf einem kleinen Stadtrundgang zu den aufbereiteten Ausgrabungen im Umfeld des Herforder Münsters und erläuterte anhand der Klosterfundamente die Frühphasen des hochadligen Damenstifts. Anschließend wandten wir uns der Hallenkirche des dank der souveränen Fürstäbtissinnen sehr selbstbestimmten und auch bald vom Bistum Paderborn unabhängigen Damenstifts mit seiner reichen Ausstattung zu. Das Münsterstift war eine Schwestergründung Corveys, die ebenfalls im 9. Jahrhundert erfolgte und damit zu den ältesten Klöstern Westfalens zählt. Wie Corvey war auch das Herforder Stift reichsunmittelbar und gab den Äbtissinnen die Machtfülle eines Reichsfürsten. Das erst 1953 aufwendig gestaltete Südfenster des Marburger Glasmalers Erhardt Klonk hinterließ insbesondere bei unserer Exkursionsleiterin Frau Pingel nachhaltige Begeisterung.

Nach einem kurzen Spaziergang durch die Herforder Innenstadt erreichten wir die ehemalige Neustädter Pfarrkirche, die von 1414 bis zur Säkularisation als Stiftskirche St. Johann und Dionys von einem Kollegiatstift genutzt wurde, das zuvor in Enger ansässig war. Eine allzu große Entfaltung war dem Stift schon allein aufgrund der Nachbarschaft zum übermächtigen Münsterstift nicht möglich. Dennoch hinterließ es mit der Kirche ein architektonisches Juwel, welches insbesondere durch seine klare Bauform und seine bürgerlich geprägte Innenausstattung besticht. Besonders hervorzuheben sind die aufwendig verarbeiteten Amtsstühle der Handwerkerzünfte sowie die Fenster, die wie die in Falkenhagen zu den ältesten in Westfalen gehören.

Unser letztes Ziel war die Marienkirche (St. Marien auf dem Berge), eine Stiftskirche für die Töchter des niederen Adels, deren Gründung auf das Jahr 1018 zurückgeht. Die imposante Hallenkirche überrascht in ihrem Innenraum durch ihre leichte Architektur und nahezu gleichseitigen Raummaße. Der spätgotische Ziboriumaltar beherbergt eine sehr ungewöhnliche Reliquie: einen Baumstumpf. Der Sage nach erfuhr auf dem Stiftberg ein Hirte eine Marienerscheinung in einem Baum, zu dem der Stumpf gehören soll. Der Besuch schloss mit einem Rundgang um die Kirche, wo uns Herr Prof. Dr. Rüthing auf den individuellen Bauschmuck aufmerksam machte.

Im Anschluss an eine kleine Kaffeepause im Herzen von Herford machten wir uns gegen 18.15 Uhr mit guter Laune und vielen neuen Eindrücken wieder auf den Heimweg. Nach diesem rundherum schönen Wochenende darf man sich schon wieder auf die nächste Exkursion nach Stuttgart freuen.

D. Hartung / M. Lagers