Die Taubenfibel

11.01.2019

Abb. 01 Taubenfibel (Bildautor: LWL/Stefan Brentführer)

Mein Lieblingsobjekt

Mein Lieblingsobjekt aus der Dauerausstellung ist die frühmittelalterliche Taubenfibel aus Borken. Fibeln dienten früher nicht nur als funktionaler Gewandverschluss, sondern waren auch als Schmuck gedacht. Neben all den anderen spannenden Exponaten sticht die Taubenfibel besonders durch ihre aufwendige Machart und den interessanten Symbolwert im Kontext ihrer Entstehungszeit hervor.

Beschreibung

Die Taubenfibel aus Borken datiert in das frühe 9. Jahrhundert n. Chr. Die halbplastisch gegossene Brosche besteht aus vergoldeter Bronze. Ihre Höhe beträgt 3cm und ihre breite 3,65cm. Die abgebildete Taube schaut nach rechts und steht aufrecht. Schnabel, sichelförmige Flügelspitzen und Schwanzfedern sind markant herausgearbeitet. Das Federkleid wird durch eingeritzte Rauten dargestellt. Vogelfuß und -bein sind nur angedeutet.

In Norddeutschland wurden bislang nur sechs solcher Taubenfibeln gefunden – alle von ihnen werden in das frühe 9. Jahrhundert datiert. In zwei dieser sechs Fälle liegen publizierte Geschlechtsbestimmungen vor. Sowohl die bronzene Taubenfibel aus Werlaburgdorf, als auch die aus Buntmetall gefertigte Taubenfibel aus Wünneberg-Fürstenberg stammen aus Frauengräbern. Es ist gut möglich, dass auch die Taubenfibel aus Borken von einer Frau getragen wurde.  

Abb. 02 Taubenfibel aus einem Frauengrab aus dem Gräberfeld Wünneberg Fürstenberg (Bildautor: LWL/Stefan Brentführer)

Das Siedlungsgebiet

Die Fibel wurde auf einer Grabungsfläche im Südwesten Borkens gefunden. 1945 wurde die Fundstelle auf einer seichten Geländekuppe entdeckt, als bei verschiedenen Baumaßnahmen auf dem sandigen Gelände an mehreren Stellen Befunde aus der Jungsteinzeit, Eisenzeit, römischen Kaiserzeit und des frühen Mittelalters auftauchten. Diese Funde waren ausschlaggebend für Voruntersuchungen – von da an hatte die Denkmalpflege ein Auge auf das Gelände. In den 1990er Jahren musste gegraben werden: Ein Neubaugebiet und Straßenbauarbeiten wurden archäologisch begleitet.

Die Funde zeigen, dass dieses Gelände von der Jungsteinzeit bis ins Mittelalter besiedelt war, am intensivsten in der vorrömischen Eisenzeit und im Frühmittelalter. Die frühesten Funde sind Scherben der Glockenbecherkultur aus der Jungsteinzeit. Auch aus der Bronzezeit gibt es Funde wie Pfostenspuren, Siedlungsgruben und Keramikgefäße. Aus der Eisenzeit liegt besonders viel vor: Pfostenspuren von mindestens zehn großen Wohn-Stall-Häusern, Brunnen, Vorratsspeicher und viele weitere Gebäude, eisenzeitliche Keramik, einiges an Schmuck und 111 Brandgräber. Auch im Frühmittelalter wurde die Fläche kontinuierlich genutzt. 26 Grubenhäuser, Brunnen, Pfostenlöcher und viel Keramik stammen aus der Zeit vom 7. bis ins 11. Jahrhundert. In den Grubenhäusern kann außerdem durch Standspuren von Webgewichten nachgewiesen werden, dass diese als Arbeitsräume genutzt wurden. Die Kleinfunde aus der Siedlung geben Einblicke in das frühmittelalterliche Fundspektrum im Münsterland. Neben Perlen, Ziernägeln, Fibeln, Gürtelzubehör, dekorierten Beschlägen, und Pinzetten wurden auch alltäglichere Gegenstände wie Keramik, Nägel und Messer gefunden. Diese Objekte sind zum Teil aufwändig aus Bronze oder Silber gearbeitet.

Abb. 03 Frühmittelalterliche Kleinfunde aus Borken (Bildautor: LWL/Stefan Brentführer)

Symbolik der Taube

Der Taube wurden über die Zeit hinweg viele verschiedene Bedeutungen zugeschrieben. Ein Taubenpaar gilt häufig als ein Liebessymbol. In Anlehnung an den Sintflut Mythos symbolisiert die Taube in Verbindung mit einem Olivenzweig den Frieden, oder auch den göttlichen Frieden. Auch in der orientalischen Mythologie ist die Taube als Symbolträger vertreten. Hier ist sie das Attribut der Fruchtbarkeitsgöttin Ischtar. Auch Aphrodite im griechischen bzw. Venus im römischen Glauben waren häufig von einer Taube begleitet. Am häufigsten taucht die Taube in der christlichen Symbolik auf. Beispiele hierfür sind die Anwesenheit der Taube bei Marias Verkündigung, oder die Anwesenheit der Taube bei der Taufe Jesu im Jordan. Hier zeigt die Taube die Anwesenheit des Heiligen Geistes. Wegen der Verbindung der Taube zum heiligen Geist sind durch die Darstellung einer Taube auch häufig seine „Gaben“ dargestellt: Weisheit, Verstand, Rat, Stärke, Wissen, Frömmigkeit und Gottesfurcht.

Vor allem im christlichen Kontext ist eine Taubendarstellung recht eindeutig zu werten. Betrachtet man die aktuellen Geschehnisse des Frühmittelalters im Gebiet des Münsterlandes und der umliegenden Regionen, symbolisiert diese Taubenfibel den christlichen Glauben der Trägerin. Im Zuge der Sachsenkriege ab 772 kam es zu zahlreichen Zwangstaufen, da Karl der Große es sich als christlicher Herrscher zusätzlich zur Pflicht gemacht hatte, die heidnischen Sachsen zum wahren Gott zu führen. Dies sollte ihm zusätzlich einen politischen Vorteil bringen, da es mit Hilfe religiöser Einheit einfacher wäre, die Sachsen erfolgreich in sein Reich einzugliedern. Die Vermutung liegt nahe, dass bereits getaufte bzw. missionierte Sachsen ihren neuen Glauben präsentieren wollten und insgesamt viele danach strebten, eine Zugehörigkeit zum christlichen Glauben zu demonstrieren. Und noch etwas spricht für diese Deutung: die meisten Taubenfibeln fanden sich nahe Bischofssitzen. Ein weiterer möglicher Symbolwert der Taube könnte demnach auch ein Zeichen für den Frieden zwischen Franken und Sachsen sein. Aus dem Zeitraum des 8. bis 10. Jahrhunderts gibt es viele Fibeln christlicher Symbolik, wie Kreuzabbildungen, stilisierte Heilige oder das Lamm Gottes.

Abb. 04 Blick in die "Kirche" in der Dauerausstellung (Bildautor: LWL/Greta Civis)

In der Ausstellung

Der christliche Kontext der Taubenfibel wird durch ihren Standort in der Ausstellung betont. Hier liegt sie in der Kirche zwischen weiteren Symbolen des christlichen Glaubens. Das Zierkreuz wurde im späten 8. Jahrhundert aus einer rechteckigen Fibel umgearbeitet und dann auf wohl auf einem Kleidungsstück aufgenäht. Das zweite Objekt ist eine Heiligenfibel. Es handelt sich hierbei um eine vergoldete Bronzefibel mit einer Heiligendarstellung in farbigem Email aus dem 9. Jahrhundert.

  • Abb. 05 Zierkreuz aus dem kreis Soest. Spätes 8. Jahrhundert (Bildautor: LWL-Museum für Archäologie)

  • Abb. 06 Heiligenfibel aus dem Kreis Soest. 9. Jahrhundert (Bildautor: Laila Christmann)

Insgesamt lässt sich sagen, dass die hier vorliegende Taubenfibel sicherlich ein Symbol für den christlichen Glauben der Trägerin war. Um das 8. Jahrhundert herum wollten viele Menschen in Westfalen ihre Zugehörigkeit zum christlichen Glauben zeigen, so vermutlich auch die Trägerin dieses Schmuckstücks.

 

Laila Christmann, Praktikantin

 

Literatur

Bistum Münster (Hrsg.), Frieden. Wie im Himmel so auf Erden? (Dresden 2018). Daraus auch Abbildung 2.

Blaich, Markus C., Werla 2 Die Menschen von Werlaburgdorf. Ein Beitrag zur Geschichte des Nordharzvorlandes im 8. Bis 10. Jahrhundert (Mainz 2013) 85-88.

Dickmann, Elisabeth, 4000 Jahre Siedlungsgeschichte in Borken-Hovesath. Die archäologische Ausgrabung Borken-Südwest von 1998 bis 2004. In: Unsere Heimat. Jahrbuch des Kreises Borken (Borken 2005) 91-97.

Dickmann, Elisabeth/ Kitz, Sabine, 10 Jahre Ausgrabungen in Borken-Südwest. In: LWL-Archäologie für Westfalen und der Altertumskomission für Westfalen (Hrsg.), Archäologie in Westfalen-Lippe 2009 (Langenweißbach 2010) 162-165.

Dickmann, Elisabeth, Frühmittelalterliche Kleinfunde aus Borken-Südwest. In: Thomas Otten/ Hansgerd Hellenkemper/ Jürgen Kunow/ Michael M. Rind (Hrsg.), Fundgeschichten – Archäologie in Nordrhein-Westfalen. Begleitbuch zur Landesausstellung (Köln und Mainz 2010) 539. Daraus auch Abbildung 3.

Dickmann, Elisabeth, Taubenfibel. In: Christoph Stiegemann/ Martin Kroker/ Wolfgang Walter (Hrsg.), CREDO – Christianisierung Europas im Mittelalter, Bd. II (Paderborn 2013) 436-347.

Dickmann, Elisabeth, Vergoldete Taubenfibel. In: Josef Mühlenbrock/ Michael M. Rind (Hrsg.), Wildes Westfalen. Tierische Fotos und Funde (2015) 95.

Heinz-Mohr, Gerd, Lexikon der Symbole. Bilder und Zeichen der christlichen Kunst (München 1971) 304-306.

Melzer, Walter, Das Frühmittelalterliche Gräberfeld von Wünneberg-Fürstenberg, Kreis Paderborn (Münster 1991) 30.

Wetzel, Christoph, Das Große Lexikon der Symbole (Darmstadt 2008).