"Fälschungen und Fehldeutungen von Fossilien"

15.08.2018

Öffentlicher Abendvortrag zu "Fälschungen und Fehldeutungen von Fossilien"

Öffentlicher Abendvortrag im LWL-Museum für Archäologie von Prof. em. Dr. v. Koenigswald

Regelmäßig finden im LWL-Museum für Archäologie öffentliche Vorträge statt. Unsere aktuelle Vortragsreihe dreht sich – passend zur Sonderausstellung – um „Irrtümer und Fälschungen“. Mit etwas urlaubsbedingter Verspätung erscheint hier der Bericht vom Abendvortrag im Juli.

Am 19. Juli referierte Prof. Wighart von Koenigswald im öffentlichen Vortrag im LWL-Museum für Archäologie über Fälschungen und Fehldeutungen von Fossilien. Beruhigend war es für uns, zu hören, dass unsere Dauerausstellung der Begutachtung standhielt: „Unproblematisch“ seien unsere wenigen Fossilien. Dann folgten einige Begriffsklärungen. So sei bei Pseudofossilien – also Steinen, die keine Spuren früheren Lebens zeigten, aber so aussehen, als wären sie Fossilien – eigentlich nicht von einer Fälschung zu reden. Gelegentlich komme es hier zu Irrtümern. Wenn Pseudofossilien als „echtes“ Fossil angeboten würden sei dies eher ein Betrug – wenn es wissentlich geschieht.

Anschließend stellte v. Koenigswald spektakuläre Fälschungen der Paläontologie vor. Die Würzburger Lügensteine sind wohl der bekannteste Fall der deutschsprachigen Archäologie. Der Gelehrte Johann Bartholomäus Beringer (1670- 1748), Hausarzt des Erzbischofs von Würzburg, veröffentlichte 1726 einen prachtvollen Bildband mit Steinen, auf denen Tiere, Spinnennetze, ja sogar Schriftzeichen zu erkennen waren. Beringer vertrat die Vorstellung, Lebewesen seien in Stein vorgeformt und dann durch die Vis Vitalis, eine „Lebenskraft“ zum Leben erweckt worden. Nichtsdestotrotz flog der Betrug noch zu Lebzeiten Beringers auf. Diesem waren die Steine untergeschoben worden, eine öffentliche Bestrafung der beschuldigten Jugendlichen fand statt. Der Ruf des Gelehrten jedoch nahm keinen, oder kaum Schaden. Zwar bemühte sich Beringer, veröffentlichte Bücher zurückzukaufen. Jedoch fanden im 18. Jahrhundert wohl einige Avicennas Theorie der vorgeformten Lebewesen so überzeugend, dass Beringer kein großer Vorwurf gemacht wurde – er setzte seine Karriere fort und genoss weiterhin hohes Ansehen.

Andere Fälscher haben einfachere Motive: Aus Gewinnsucht werden manchmal gefälschte Fossilien als Souvenirs oder an private Sammler verkauft. Jedoch finden sich auf Fossilienbörsen nur wenige „richtige“ Fälschungen. Eher werden manchmal Teile zusammengeklebt, um aus zwei halben ein ganzes Fossil zu basteln. Häufiger gefälscht würden wohl eher in Bernstein fossilierte Insekten. Hier gab der Fachmann einige praktische Tipps, wie man echten Bernstein von Fälschungen aus Kunststoff unterscheiden kann: Wenn das Insekt sehr bunt ist, ist Misstrauen angebracht – In Bernstein erhalten sich Farben nicht. Manchmal sind bei Fälschungen sogar Klebe- oder Nahtstellen zu erkennen. Und schließlich sind Kunststoffeingüsse schwerer als Bernstein. Dieser schwimmt in einer Lösung aus einem Liter Wasser und 150gr Salz, Kunstharze nicht. Schließlich berichtete v. Koenigswald über weniger bekannte Skandale – europäische Fossilien mit angeblich indischem Ursprung – eine kleine Sensation. Die Fossilien waren eindeutig echt, jedoch war die Fundortangabe gefälscht. Und auch einige Belemniten (fossilierte Kopffüßer, die fossilen Reste sind im Volksmund auch als "Donnerkeile" bekannt) mit angeblich erhaltenen Weichteilen erwiesen sich als simple Fälschungen - leider erst, nachdem sie es bis zur wissenschaftlichen Publikation schafften.

Dann ging es um den besonders spannenden Bereich der Fälschungen aus ideologischen Gründen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts konstruierte Charles Dawson den Piltdown man – aus Teilen vom Orang Utan und vom modernen Menschen. Dawson beabsichtigte wohl, den britischen Inseln (und den Briten) zu einem prominenteren Platz in der Menschheitsgeschichte zu verhelfen – die Fälschung hatte mehrere Jahrzehnte Bestand. Auch Dawson war, wie Beringer, durchaus im Geist seiner Zeit – jedoch außerhalb der wissenschaftlichen Redlichkeit.

Zum Ende berichtete v. Koenigswald noch über zahlreiche Irrtümer, die im Bereich von Sagen, Märchen und der Bibel liegen: Versuche, Fossilien der Sintflut zuzuweisen oder „Beweise“ für die Existenz von Riesen und natürlich das auch in der Sonderausstellung vertretene Einhorn. Stets jedoch gab es bereits zeitgenössische Kritik an den vorgestellten Theorien und Objekten. Und so wundert es nicht, dass auch heute noch „Beweise“ für die Existenz von Riesen präsentiert werden – aber auch, dass auch in und um die ernsthafte Paläontologie heftig diskutiert wird.   

In der anschließenden Diskussion interessierten sich die knapp 40 Gäste darüber hinaus für Einhörner, die Rolle der Religion in Deutungen (und die Möglichkeiten, wissenschaftlich mit Fundamentalisten zu diskutieren) und die Unterschiede zwischen Paläontologie und Archäologie. Auch die Rolle der Presse – sowohl beim Befördern von Fälschungen als auch beim Aufdecken derselben – wurde zwischen Publikum und Referent angeregt diskutiert.

Wieder einmal zeigte sich, dass Fälschungen und Irrtümer spannend, unterhaltsam und durchaus abendfüllend sind – selbst wenn nur der Teilbereich der Fossilien betrachtet wird. Wir freuen uns auf den nächsten öffentlichen Vortrag!

 

Greta Civis