altorientalische Tontafel - ein wichtiges Element für die Entwicklung der Schrift

04.07.2025 Praktikant:in

Abb. 1.: Foto einer Tontafel mit Keilschrift © LWL-Museum für Archäologie Herne (Foto: Cornelia Moors)

Warum ich mich für dieses Objekt entschieden habe

Während meines Aufenthalts hier im LWL-Museum für Archäologie und Kultur in Herne traf ich auf ein Objekt, welches ich sehr interessant und spannend finde: eine altorientalische Tontafel. Diese Tontafel zeigt uns zwar nicht die erste Form der Schrift, dafür aber eine der frühesten Formen. Die sumerische Keilschrift wurde auf Tontafeln festgehalten. Ich habe mich für dieses Objekt entschieden, weil ich es sehr faszinierend finde, die über 5.000 Jahre alte Schrift und frühere Form der Kommunikation kennenzulernen.

Beschreibung

Wie schon erwähnt handelt es sich bei dem unteren Beispiel (Abb. 2) um eine altorientalische Tontafel mit Keilschrift. Das Material aus dem die Tafeln hergestellt sind, sind Ton oder Lehm.

Die Tontafel in Herne ist eine Kopie und deshalb nur auf der Vorderseite beschrieben. Auf der Rückseite befindet sich keine Schrift, dafür aber ein Stempel des Herstellers. Sie hat eine Länge von 9 cm. Das Original stammt aus Uruk.

  • Abb. 2.: Fotos einer Tontafel mit Keilschrift, © LWL-Museum für Archäologie Herne (Foto: Cornelia Moors)

  • Abb. 2.: Fotos einer Tontafel mit Keilschrift, © LWL-Museum für Archäologie Herne (Foto: Cornelia Moors)

  • Abb. 2.: Fotos einer Tontafel mit Keilschrift, © LWL-Museum für Archäologie Herne (Foto: Cornelia Moors)

Einblick in die Geschichte und Entstehung der Tontafeln

Der Beginn der altorientalischen Tontafeln spielte sich im Alten Orient ab. Genauer gesagt in den Ländern die wir heute als Irak und Iran kennen und früher als Mesopotamien bekannt waren. Die Schrift wurde in Uruk ca. 3.300 v. Chr. erfunden und zwar mit dem Ziel die Verwaltung in den Wirtschaftszentren zu erleichtern. Die Tontafeln dienten als Trägermedium für die Keilschrift und fanden von ca. 3.000 bis 500 v. Chr. Verwendung. Die Keilschrift nutzte man im ganzen mesopotamischen Gebiet, also auch in Teilen der heutigen Türkei und Ägyptens.

Abb. 3.: Foto einer Karte von Mesopotamien, Von User: NormanEinstein - File:Fertile Crescent map.png, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=30794020

Entwickelt wurde die Keilschrift von den Sumerern aus den früheren Buchhaltungssystemen der Tempelwirtschaften. Bevor es die Keilschrift überhaupt gab, wurden Zählsteine mit einer bestimmten Form und Symbolik von Nutztieren und Waren zur Kommunikation benutzt. Die Zählsteine wurden dann von Bildzeichen ersetzt. Erst danach entstand die Keilschrift als die Bildzeichen in abstrakte Zeichen aufgelöst worden sind.

Die Keilschrift setzt sich aus keilförmigen Elementen zusammen, die mit Hilfe eines Schilfrohrs in den Tonder Tafeln gedrückt wurden. Es gab ungefähr 600 Schriftzeichen, die nicht nur Gegenstände repräsentierten, sondern auch Ideen, Tätigkeiten und Laute. Auf die Form und Bedeutung der einzelnen Schriftzeichen hatte man sich geeignet. Auch bei dieser Schrift wurde von links nach rechts geschrieben.

Nach drei Jahrtausenden, nachdem die Keilschrift in Uruk erfunden worden war, stoppte ihr Gebrauch dort sowie in vielen anderen mesopotamischen Städten außer in Babylonien. Dort war sie ca. 300 Jahre länger in Gebrauch.

Material und Herstellung

Die Tontafel besteht aus Ton oder Lehm. Mit dem Griffel werden dann die Symbole und Schriftzeichen in den weichen Ton gedrückt. Wenn ein Fehler entstanden ist konnte man diesen auch wieder korrigieren. Anschließend wurde die Tontafel entweder in der Sonne oder im Feuer getrocknet und hart gebrannt. Die Tafeln, die in der Sonne getrocknet worden sind, können wieder angefeuchtet und somit wiederverwendet werden. Die Tafeln, die heutzutage noch vorhanden und erhalten geblieben sind, wurden im Feuer gebrannt.

Abb. 4.: Foto von den Schriftzeichen der Keilschrift, Von Mason, William Albert, 1855-1923 - Diese Datei ist ein Ausschnitt aus einer anderen Datei, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=87617492

Verwendungsbereiche der Tontafel

Ein großer Bereich, in dem die Keilschrift Verwendung fand, ist die Verwaltung und das Recht. Die Schriftart wurde hier verwendet um Gesetze, Verträge, Gerichtsurteile und Verwaltungsdokumente aufzuzeichnen. Im Handel und der Wirtschaft wurde die Tontafel dann für Steuerlisten, Rechnungen und Verträge genutzt. Ebenso dienten sie zur Aufzeichnung von Gebeten, Ritualen und religiösen Texten. Es lässt sich erkennen, dass Tontafeln eine große Rolle im Leben der Menschen früher hatten, weil sie in vielen Bereichen eingesetzt und verwendet worden sind. Auf ihnen ließen sich wichtige Infos für lange Zeit festhalten. Die Keilschrift wurde von den Sumerern, Babyloniern, Assyrern und anderen Völkern verwendet.

In Uruk wurden die Tontafel auch für Wörterverzeichnisse verwendet. Berufe, Städte, Tiere, Tierprodukte, Metalle, Baumarten und vieles mehr wurden geordnet zusammengestellt. Diese Listen hatten eine große Rolle im Schulunterricht, dienten aber auch als Zusammenstellung des vorhandenen Wissens. Von Uruk aus breitete sich die Keilschrift überall in Mesopotamien aus. Sie wurde lange Zeit nur für Wirtschaftsurkunden und Wörterverzeichnisse verwendet. Ab dem 26. Jh. v. Chr. wurden auch andere Gattungen wie Hymnen und Beschwörungen verschriftlicht.

Erhalten gebliebene Tontafeln

Uns sind noch umfangreiche Zeugnisse aus der altbabylonischen Zeit (ca. 2.000-1.600 v. Chr.) erhalten geblieben. Es gibt eine Reihe von Schülerkopien religiöser und literarischer Texte, die zu einer in Uruk ansässigen Familie von Priesterin der Göttin Inanna-Ischtar gehörten. Auch erhalten geblieben sind andere sumerische Texte von den Uruk- Königen Enmerkar und Gilgamesch. Diese Texte zeugen von starkem Interesse der Schreiber dieser Zeit gegenüber den Gottheiten ihrer Stadt und deren Vergangenheit.

Ein anderes Beispiel ist ein sumerisch- babylonischer literarischer Monolog, in dem ein Schreiber aus Uruk seinen Sohn anklagt, er sei nicht würdig, die große gelehrte Tradition Uruks fortzuführen. Auch dies zeugt von der Wertschätzung die, die sumerische Sprache während der altbabylonischen Zeit bekam.

Abb.5: Foto eines Rollstempelabdrucks mit zwei Ebenen. Oben trinken Leute mit langen Strohhalmen Bier aus einem Krug. (Foto: Public domain, Link: https://itoldya420.getarchive.net/amp/media/cylinder-seal-and-modern-impression-banquet-scene-with-seated-figures-drinking-2a43d2)

Die Tontafel in Herne und das Bierrezept

Unsere Tafel in Herne enthält einen Text mit einem antiken Rezept für die Bierbrauerei. Es ist eine Lobeshymne auf die Biergöttin Ninkasi. Datiert wird die Tafel auf ca. 1800 v. Chr, sie könnte aber auch älter sein. Die in Mesopotamien lebenden Sumerer kannten sogar neun Biersorten. So beliebt war das Getränk früher! Das Bier galt als Grundnahrungsmittel ihrer Zeit. Antike Darstellungen zeigen Frauen und Männer, die mit langen Saugrohren das Bier aus großen Krügen tranken. Sogar die Kinder tranken das Gebräu. Es hatte einen niedrigen pH-Wert und einen niedrigen Sauerstoffgehalt, wodurch es sicherer war als das Trinkwasser.  Es enthielt auch mehr Vitamine und Mineralstoffe.

Der Mathematiker und Philosoph Peter Damerow stellte sich die Frage wie das antike Bier wohl geschmeckt hat. Also begann er 1982 mit dem Archäologen Hans J. Nissen und dem Altorientalisten Robert K. Englund an mehr als 5.000 Tafeln neu zu analysieren. Sie stießen auf Tontafeln, die mit Proto- Keilschrift beschrieben waren. Es gab stilisierte Tierköpfe, Krüge für verschiedene Flüssigkeiten und über 1.000 verschiedene andere Schriftzeichen.. Es gelang ihnen aber, einen Teil der Zeichen zu entschlüsseln. Sie waren aber nicht die einzigen, die sich damit beschäftigten, wie das sumerische Bier wohl geschmeckt hat.

Die Sumerer hinterließen uns Listen von Lagerbeständen und Informationen, wie viel Gerste angeliefert oder ausgegeben worden ist oder wie viel Malz oder Gerstenschrot benötigt wird, um Bier herzustellen. Anhand von diesen Informationen versuchte der Brauereitechnologe Martin Zarnkow von der Technischen Universität München zusammen mit dem Keilschriftexperten Walther Sallaberger, dem Archäologen Adelheid Otto und Berthold Einwag das antike Bier zu rekonstruieren. Sie breiteten das Malz auf sonnenbeschienenen Dächern aus, sowie die Sumerer das früher getan haben. Das Getränk schmeckt sehr säuerlich, enthält wenig Kohlensäure und wenig Alkohol.

Peter Damerow ist der Frage, wie das antike Bier wohl wirklich geschmeckt hat, noch genauer nachgegangen. Er berücksichtigte die Bierhymne, Verwaltungstexte sowie die Rückstände die sich in Tongefäßen befanden. Dort gab es meistens Spuren von Hefen und Oxalat (ein Nebenprodukt der Umwandlung von Kohlenhydraten), die Auskunft darüber geben, was da drin gebraut worden ist. Er kam zu dem Entschluss, dass wir noch nicht genau wissen, wie die Sumerer ihr Getränk gebraut haben, aber es lässt sich sagen, dass ihr Bier hauptsächlich aus Gerste und Emmer bestand. Wir wissen noch nicht einmal genau, ob das Bier überhaupt Alkohol enthalten hat. Damerow vermutet, dass es wohl eher wie das russische Brottrunk Kwas schmeckte als wie das heutige Bier.

Ausstellung im LWL-Museum

In diesem Museum befindet sich die Tontafel mit Keilschrift in einer Vitrine in der Wand. Die Tontafel ist eine Kopie, das Original befindet sich im British Museum in London. Es wird in Herne in der Dauerausstellung „im Blick in die Welt“ ausgestellt, weil die Tontafel ein wichtiger Teil der Geschichte ist, da es schließlich ein Vorläufer unserer heutigen Schrift ist.  Ab Oktober wird die Tafel in der neuen Sonderausstellung „Mahlzeit – wie essen uns verbindet“ zu sehen sein.

Abb. 7.: Foto der Tontafel aus der Dauerausstellung, © LWL-Museum für Archäologie Herne (Foto: Cornelia Moors)

Romina Niewiadomsky (Praktikantin)


Literaturverzeichnis

Beyer, Wiebke., „Spuren im Ton“, Politik und Kultur- Zeitung des Deutschen Kulturrates., https://politikkultur.de/inland/spuren-im-ton/

Eckart Frahm., Keilschriftkundige und Königstochter und belesene Bierbrauer, Uruk 5.000 Jahre Megacity

Elke Maier., Die Bierbrauer von Babylonien

Helles-Köpfchen., https://www.helles-koepfchen.de/?suche=tontafeln

John MacGinnis., John MacGinnis, Evidence for a Peripheral Language in a Neo-Assyrian Tablet from the Governor’s Palace in Tušhan. Journal of Near Eastern Studies, vol. 71, No. 1, April 2012, pp. 13-20, DOI: 10.1086/664450., http://www.jstor.org/stable/10.1086/664450

Lernhelfer (Duden Learnattack GmbH): "Keilschrift." In: Lernhelfer (Duden Learnattack GmbH). URL: http://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/geschichte/artikel/keilschrift (Abgerufen: 25. June 2025, 17:24 UTC)

R.Caplice, Introduction to Akkadien (2002)., R.Borger, Babylonisch-assyrische Lesestücke (1963), Alte Roemer- Galerie für antike Kunst und Antiquitäten, https://www.alteroemer.de/de/tontafel-mit-keilschrift-68449.html

Volk, Konrad., „Altorientalische Tontafel. Keilschrift, ca. 2048 v. Chr., Gratianus- Stiftung, Sammlungskatalog 1. Reutlingen 2004, pp.21-23, https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/869/1/Volk_Altorientalische_Tontafel_2004.pdf

Wikipedia., https://simple-m-wikipedia-org.translate.goog/wiki/Clay_tablet?_x_tr_sl=en&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=rq#:~:text=Using%20a%20stylus%2C%20symbols%20were,could%20be%20moistened%20and%20recycled.