Gemmen und was sie so besonders macht

04.07.2025 Praktikant:in

Mein wirklich wichtiges und spannendes Thema sind sogenannte Gemmen. Ja, richtig gelesen: Gemmen. Und ja, ich hatte die gleiche Reaktion: Was zum Teufel ist das? Die Gemmen aus der Römerzeit in der Dauerausstellung sind ziemlich leicht zu übersehen und relativ unscheinbar, jedoch sagen sie so viel über die Kultur der Römer aus und helfen uns, sie besser zu verstehen.

6 Gemmen aus der Dauerausstellung, cc. LWL, J.Walters

Was genau sind Gemmen?

Das Wort „Gemme“ kommt von dem lateinischen Wort „Gemma“, was so viel bedeutet wie „Edelstein“. Heute verstehen wir unter dem Wort eine Art Schmuckstein, welcher mit einem Bild verziert ist. Allerdings unterscheidet bei dem Bild zwischen der Relieftechnik – also einer Darstellung, bei der sich das Bild vom Hintergrund abhebt - und zwischen einer Gravierung, bei der das Bild eingeritzt wird. Bei der Relieftechnik spricht man dann von einer Kamee oder auch Kameo und bei der Gravierung von einem Intaglio. Die Intaglien könnte man auch als eine Art Siegelstein verwenden, wobei das Dekorative seit der Römerzeit im Vordergrund steht.

Ein Beispiel wäre die in Haltern am See Gefundene Gemme, welche die Gottheiten Hermes und Amor darstellt.  Dieser Fund lässt sich ca. auf das 1. Jahrzehnt n. Chr. datieren.

Gemme mit der Abbildung von Hermes und Amor, cc. LWL, Cornelia Moors

Hermes und Amor

Interessant zu wissen ist, dass es nur eine einzige Sage gibt in der Amor und Hermes zusammen vorkommen: die Erzählung von „Psyche und Eros“. In dieser geht es hauptsächlich darum, dass die Königstochter Psyche von den Menschen als schöner als Aphrodite/Venus angesehen und verehrt wird. Einige von ihnen nennen Psyche sogar die neue Aphrodite/Venus. Daraufhin befiehlt die Göttin ihrem Sohn Amor/Eros, Psyche in den niedrigsten Menschen der Welt verliebt zu machen. Amor/Eros verliebt sich daraufhin allerdings selbst in die Königstochter. Am Ende der Sage erflehte Amor/Eros bei Zeus/Jupiter um Hilfe, welcher daraufhin Psyche durch Hermes/Merkur auf den Olymp bringen ließ. Es ist unklar, ob die Sage einen Bezug zur Gemme hat oder ob der damalige Besitzer sich etwas Anderes bei dem Motiv gedacht haben könnte.

Manchmal wird Hermes auch als Vater von Eros/Amor genannt. Es könnten hier also auch Vater und Sohn zu sehen sein.

Der Ursprung und die Weiterverbreitung

Die Gemmen haben ihren Ursprung nicht als Schmuck und Dekorationsobjekt, sondern als Siegel. Da man mit ihnen einen Positiv-Abdruck in Ton oder Wachs erstellen konnte, haben sie sich gut dazu geeignet, Papyrus, Pergament, Gefäße, Truhen oder ähnliche Gegenstände zu versiegeln. So konnte man z.B. offizielle Dokumente oder persönliche Briefe beglaubigen.

Im 5. Jahrtausend v. Chr. wurden bereits die ersten Vorläufer der Gemmen angefertigt. Die verwendeten Steine kamen aus Mesopotamien, das ist ein Gebiet, welches heute ein Teil von Irak und Syrien ein nehmen würde. Die Steine waren relativ weich und mithilfe von Korund- und Obsidianspitzen konnte man einfache Designs einritzen. Im 3. Jahrtausend v. Chr. waren die Siegel, v.a. Rollsiegel, dann schon richtige Kunstwerke. Die Motive schnitt man mit Rädchen oder Bohrern in das Material. Durch Weiterentwicklungen der Technik ließen sich auch härtere Steine bearbeiten. Durch die Phönizier verbreitete sich die hochentwickelte Steinschneidekunst im ganzen Mittelmeerraum. 

Mit der Ausbreitung der griechischen Kultur gewannen vor allem die Siegelringe und mehrlagige Kameen an großer Beliebtheit, und spätestens im römischen Kaiserreich wurden Gemmen dann als Massenware produziert. Von da an dienten sie auch als Amulette und Dekoration. Fast jeder Römer trug mindestens einen Siegelring. Wer Macht und Wohlstand präsentieren wollte, trug auch mal mehr als nur eine Gemme. Dabei war es egal, ob es Männer, Frauen oder Kinder waren. Die Gemme an sich war dabei in Silber, Bronze oder Gold eingelassen, dies variierte auch nochmal je nach Vermögen und Stand.

Drei Königenschrein im Kölner Dom ©Creative Commons Attribution

Gemmen und Kirche

Nach der Blütezeit der Gemmen in der römischen Kaiserzeit, vor allem im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr., gingen die Gemmen im 4. Jahrhundert ihrem Untergang entgegen. Die Schmucksteine wurden von aufwendig gestalteten Fingerringen abgelöst und Dokumente wurden zunehmend mithilfe von Blei besiegelt und nicht mehr mit Intaglien. Dies blieb auch für eine lange Zeit so, bis ca. 600 n. Chr., als viele der römischen und griechischen Gemmen wiederverwendet und restauriert wurden. In der Merowingerzeit (die Merowinger waren das älteste Königsgeschlecht der Franken von Mitte des 5. Jahrhunderts bis 752 n. Chr.) haben Feinschmiede angefangen, die Gemmen in neue Schmuckstücke, Fibeln oder Fingerringe einzuarbeiten. Aufwendige und besonders schöne Gemmen wurden auch in mittelalterliche Kirchen und Klöster in das Inventar eingearbeitet, unter anderem in den Einbänden von Evangelien, Prozessionskreuzen, Messkelchen oder Reliquienschreinen.

Ein Beispiel hierzu wäre der Dreikönigenschrein im Kölner Dom, der Schrein entstand um ca. 1200 n. Chr. für die Gebeine der Heiligen drei Könige und besteht aus Gold, Silber, feuervergoldeten Figuren und Filigranplatten, diese Filigranplatten sind eben mit verschiedenen Edelsteinen und Gemmen besetzt.

Lothar-Kreuz, Aachener Domschatzkammer, © CEphoto, Uwe Aranas

 Ein weiteres Beispiel für die Wiederverwendung wäre das Lothar-Kreuz, welches in der Aachener Domschatzkammer aufbewahrt wird. Die verarbeitete Gemme stammt ca. aus der Zeit 20 v. Chr. und zeigt eine Büste des römischen Herrschers Augustus. Genauer gesagt trägt Augustus einen Panzer und einen Feldherrenmantel, im Haar einen Lorbeerkranz und in der rechten Hand hält er einen verkleinerten Legionsadler.

Die Verwendung von nicht-christlichen Ikonografien stellte aus christlicher Sicht übrigens keine Schwierigkeiten dar. Einige Schriftquellen beschreiben sogar, dass Gott selbst die Hände der Steinschneider in der Antike geführt haben soll, so dass ein Teil seiner Macht in ihnen stecken könnte.

Könige und Kaiser

Der Nutzen von gravierten Edelsteinen war beim Adel bereits in der Antike bekannt, griechisch Könige und römische Kaiser nutzten sie häufig um dynastische und imperiale Botschaften zu verbreiten. Sie ließen sich oft dabei selbst darstellen, häufig zusammen mit Herrschaftsinsignien wie zum Beispiel einem Diadem oder Lorbeerkranz.

Auch im Leben in der Neuzeit hatten die Gemmen eine wichtige Rolle, sie wurden gesehen als wertvolle Sammelobjekte oder Statussymbole. Auch beim Adel spielten sie eine wichtige Rolle: Die Gemmen wurden gerne verwendet als Bildträger zur herrschaftlichen Repräsentation. Häufig ließen sich die Adeligen mit zeitgenössischer Tracht oder aber auch mit antiker Kleidung und Lorbeerkranz als Symbol für römische Tradition darstellen. Die Gemmen würden aber auch vor allem in Europa als wertvolle Geschenke ausgetauscht und weitergegeben. Dies geschah meist, um neue Kontakte zu knüpfen oder weitverzweigte Familienbeziehungen zu stärken.

Gemmen sind also deutlich mehr als nur ein paar hübsche Steine, sondern auch faszinierende Zeitzeugen, welche uns besondere und einzigartige Einblicke in verschiedene Kulturen und Geschichten vergangener Epochen bieten können.

 

Johanna Walters, Praktikantin 


Litaraturnachweis:

A.Dierichs, Die Berühmten Liebschaften der Antike

L. Stephani, H.K.E. Köhler’s gesammelte Schriften 

T.Esch, Die Ideen der Alten – Zum Nachleben antiker Steinschneidekunst in Bayern

A.Walde und J.B. Hofmann, Lateinisches Etymologisches Wörterbuch

Dr. R.Lauer, Dreikönigenschrein, https://www.koelner-dom.de/rundgang/dreikoenigenschrein (02.07.2025)

https://www.alteroemer.de/de/blog/roemische-gemmen/  (02.07.2025)

 

Bilderquellen:

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Dreik%C3%B6nigenschrein,_Stirnseite,_Trapezplatte_abgenommen.jpg (03.07.2025)

https://de.wikipedia.org/wiki/Lotharkreuz#/media/Datei:Aachen_Germany_Domschatz_Cross-of-Lothair-01.jpg (03.07.2025)