Kirche, Broschen und Lautsprecher

12.12.2024 Praktikant Herne

Kirche, Glauben und Religion – Für manche eine Möglichkeit der Besinnung und spiritueller Weiterentwicklung, für andere ein Ort den man zu Weihnachten besucht und für einige nicht viel mehr als eine Institution der Vergangenheit in heutiger Zeit.

Jeder von uns hat ein eigenes Bild von der Kirche.

Doch wie sah es in Westfalen im Mittelalter aus? Welche Rolle spielte die Kirche in einer Zeit, die auf viele von uns so fremd und andersartig wirkt?

Die Kirche im mittelalterlichen Westfalen

Im Mittelalter nahm die Kirche eine zentrale Rolle im Leben der Menschen und in der Gesellschaft Westfalens ein. Sie war nicht nur ein Ort der religiösen Andacht, sondern auch ein bedeutendes Zentrum für Bildung, Kultur und soziale Unterstützung.

Dadurch konnte die Kirche nahezu alle Aspekte des täglichen Lebens beeinflussen und Religion als ein mächtiges Instrument der Herrschaft und Kontrolle nutzen.

Was an Wissen verbreitet, an Hilfestellung geleistet und an Kunst und Kultur geschaffen wurde, war geprägt von den Lehren und religiösen Dogmen der Kirche.

Die Verbreitung des Christentums in Westfalen begann intensiv mit der Missionierung der Sachsen durch Karl den Großen im 8. Jahrhundert.

Im Gegensatz zu dem fränkischem Reich unter Karl dem Großen war die Volksgruppe der Sachsen nicht durch das Christentum, sondern durch ihre eigenen religiösen Vorstellungen und Traditionen geprägt.

Sie lebten in losen Stammesverbänden und führten regelmäßige Raubzüge auf fränkischem Gebiet durch.

Die von Karl dem Großen geführten Sachsenkriege begannen mit der Zerstörung der Irmisul, einem der wichtigsten religiösen Plätze der Sachsen und wurde mit äußerster Brutalität geführt.

Nach seinem Sieg über die heidnischen Sachsen wurde die Region systematisch christianisiert.

Im Zuge der Christianisierung änderten sich die kulturellen Sitten der früheren Sachsen.

Vorher wurden Tote mit Grabbeigaben bestattet   und verbrannt, nachher die Kinder getauft.

Die Ehe wurde zu einer Vereinigung auf Lebenszeit und forderte ein Gelübde vor dem neuen Gott.

Im heutigen Westfalen entstanden, beispielsweise in Paderborn und Herford , viele Klöster als religiöse und administrative Zentren, die auch den neuen Glauben  festigen sollten. Gerade im heutigen Westfalen, beispielsweise in Paderborn und Herford, entstanden in dieser Zeit viele Klöster als religiöse und administrative Zentren.

Doch nicht nur auf religiöser und administrativer Ebene übernahmen die Klöster eine zentrale Rolle, sondern wurden auch zu wirtschaftlichen Zentren. Viele der von den Bauern bewirtschafteten Ländereien gehörten den Klöstern und Kirchen und auch zahlreiche Handwerksbetriebe waren von ihnen abhängig.

Beispielsweise wurde das im Jahr 815 gegründete Kloster Corvey zu einer geistigen und kulturellen Hochburg in der Umgebung.

Gleichzeitig waren Klöster oft Selbstversorger und Innovationszentren, wo neue landwirtschaftliche Techniken entwickelt und verbreitet wurden.

Die Klöster der Benediktiner waren für ihre intellektuellen Beiträge, die Zisterzienser für ihre landwirtschaftlichen Innovationen bekannt.

Kirchen wurden schnell zum neuen Mittelpunkten der Stadt- oder Dorfgemeinden, was eine Verwaltung der Gebiete vereinfachte und die Verbreitung des christlichen Glaubens beschleunigte.

Die Hallenkirche St.Walburga, ehemals Stift Meschede, von der Seite. Der Glockenturm an der linken Seite ragt über dem Gebäude hervor. Foto: wikimedia commons

Kirchen in Westfalen: St.Walburga

Am Beispiel von St. Walburga lässt sich der Verlauf der Christianisierung nach den Sachsenkriegen und die zunehmende Einflussnahme von Kirchen und Klöstern im westfälischen Raum verdeutlichen.

Die ehemalige Stiftskirche St. Walburga befindet sich bis heute in der Kreisstadt Meschede im Hochsauerland. Die Kirche ist zwischen 897 und 913 erbaut und mehrfach umgebaut oder ergänzt worden.

Als Karl der Große Bischöfe in Minden, Münster, Osnabrück und Paderborn einsetzte und das Land so unter ihnen aufteilte, gelang es der Kirche eine weitreichende Struktur aufzubauen. Dies schuf Orte, an denen sich die Bevölkerung versammelte, um zu beten und den christlichen Glauben anzunehmen.

Dort wo das Stift gegründet wurde, siedelten sich immer mehr Menschen an und wurde somit auch ein wesentlicher Stützpunkt des Christentums des Ruhr- und Hennetals und ein Zentrum der in den Gebieten lebenden Gemeinden.

So konnte die Kirche immer mehr Einfluss auf die Bevölkerung und ihr alltägliches Leben nehmen: Die Toten wurden nicht länger verbrannt oder mit Grabbeigaben bestattet.

Die christliche Ehe wurde eingeführt und somit auch die lebenslange Treue. Eine Scheidung zwischen den Ehepartnern, bei den Sachsen durchaus bekannt, war so in den meisten Fällen nicht möglich. Die bedeutendste Veränderung kam allerdings mit dem einführen der Abgaben an die Kirche, dem sog. Kirchenzehnt.

Architektur und verborgener Reliquienstollen der St.Walburga

St.Walburga ist ein beeindruckendes Beispiel frühmittelalterlicher Architektur : Die Struktur und Details der spätkarolingische Walburga-Kirche, wurden in den 1960er Jahren von der Forscherin Hilde Claussen eingehend untersucht

Sie enthüllte bemerkenswerte Erkenntnisse über die bauliche Ausführung und den architektonischen Schwerpunkt der Kirche.

Im Osten der Kirche fand Claussen einen quadratischen Chorraum, der von tonnengewölbten Kryptengängen umschlossen war.

Ein besonders faszinierender Fund war ein bis dahin verdeckter Reliquienstollen an der Westwand dieser Krypta.  Die Unversehrtheit dieses Reliquienstollens ist einzigartig nördlich der Alpen und stellt ein seltenes Zeugnis für die oft in den Quellen genannten Reliquiengrabstätten der Heiligen dar. Bemerkenswert ist, dass der Stollen mit seiner Westkante direkt an die Ostkante des Hochaltar-Fundaments stieß.

Ein weiteres einzigartiges Merkmal der Walburga-Kirche ist der heute erhaltene Turm im Westen, der bis zu den Schallarkaden aus karolingischem Mauerwerk besteht.

Das Schallgefäß ist ein bauchiges, aus Ton bestehendes Gefäß

Fund in St.Walburga: Schallgefäße – Lautsprecher des Mittelalters

Als Schallgefäße bezeichnet man Gefäße aus Bronze oder Ton, die den Schall verstärken und so die Akustik verbessern, sowie die Nachhallzeit verkürzen sollen.

Sie waren an den römischen Architekturschriftsteller Vitruv (Marcus Vitruvius Pollio) angelehnt, welcher im ersten Jahrhundert v. Chr. lebte und Überlegungen zu der Verbesserung der Akustik in Theatern durch das Einbauen von Resonanzkörpern anstellte.

Die in der Stiftskirche St. Walburga unter dem Boden verborgenen Gefäße wurden während der Bauarbeiten 1965 zur Installation einer Kirchenheizung im Boden gefunden.

Zudem wurden dabei auch der karolingische Hochaltar, Mauerreste und der leuchtend rot gestrichene Chorfußboden wiederentdeckt.

Die Tongefäße sind teilweise aus Scherben zusammengesetzt, teilweise ganz erhalten.

70 Gefäße wurden bereits bei der ersten Rettungsgrabung geborgen, die von Wilhelm Winkelmann geleitet wurde.

18 weitere Gefäße in Form von Krügen und Töpfen konnten 1981 durch Uwe Lobbedey geborgen werden.

In regelmäßiger Anordnung befanden sich mehrere Gefäße die mit der Öffnung nach Oben in den Boden eingelassen waren und mit einer dicken Steinplatte, sowie Mörtel überdeckt wurden.

Bei weiteren Ausgrabungen 1981 fanden sich dieselben Gefäße in regelmäßigen Abständen auch in den Wänden.

Insgesamt geht man von einer anfänglichen Gesamtzahl von 300-350 Gefäßen aus.

Die Gefäße stammen aus Werkstädten des rheinischen Vorgebirges zwischen Köln und Bonn, worauf die rotbraune Bemalung auf den hell, gelblichen Scherben hindeutet und wurden wahrscheinlich über den Wasserweg transportiert da die Ware zerbrechlich war.

Die Funde sind für die Datierung von frühmittelalterlichen Keramik von großem Wert, da sie den Übergang der Karolingerzeit zum hohen Mittelalter zeigen.

So können durch diesen Fund frühmittelalterliche Keramiken besser zeitlich eingeordnet werden.

Tatsächlich wirkten die Klangkörper in Kirchen bis zu einem gewissen Grad nachhallzeitverkürzend. Vermutlich lag ihr Nutzen im Mittelalter im architektonischem Erbe der Antike, da die Wissenschaft der Akustik wie in der heutigen Form noch nicht existierte.


Quellen

Auf den Weg ins neue MuseumVerbesserung der Akustik?Die Schalltöpfe in der Stiftskirche St. Walburga in Meschede (lwl.org)

Kottmann, Aline: Die älteste Meschederin. In: Archäologie in Deutschland, Nov-Dez Nr. 6. 2004 S. 47.

Kottmann, Aline: Kirchenakustik. In: Archäologie in Deutschland, März-April Nr. 2. 2002 S. 47f.

Lobbedey, Uwe: Karolingische Anfänge im Sauerland: Die Stiftskirche St. Walburga in Meschede. In: Archäologie in Deutschland, Jan.- März Nr. 1. 1987 S. 32-35.

Stadtarchiv Meschede- Stift Meschede- Stiftsgeschichte: Das Mescheder Stift

Kategorie: Blog LWL-Landesmuseum-Herne

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