Mein Lieblingsobjekt:

03.02.2017 Astrid Jordan

Lithophon aus Mittelvietnam in der Sonderausstellung im LWL-Museum Herne. (Foto: R. Weiser/LWL)

Klangsteine aus dem Fluss

 

Wie jeder Praktikant vor mir bin Ich nun an der Reihe einen Artikel über mein Lieblingsausstellungsstück zu schreiben. Dabei fiel meine Wahl nach einer längeren Zeit des Nachdenkens auf das Lithophon in der derzeitigen Sonderausstellung: Schätze der Archäologie Vietnams. Warum ich die Tradition, sich ein Exponat der Dauerausstellung auszusuchen, breche, kann ich gar nicht so genau sagen. Vermutlich hat mich das Thema der Musik in die Sonderausstellung gelockt, da mich dort gleich zu Beginn in dem Bereich der Steinzeit  das Lithophon besonders faszinierte.    

Lithophon aus Mittelvietnam in der Sonderausstellung im LWL-Museum Herne. (Foto: R. Weiser/LWL)

Jeder von uns, ob Groß oder Klein hat eine Beziehung zu Musik. Ob selbst gespielt, gesungen oder nur im Radio gehört, egal wie man sie auch hört, fasziniert sie in verschiedener Art und Weise Jeden. Viele Leute pflegen gewisse Erinnerungen und Gefühle mit Lieblingsstücken zu verbinden und einen eigenen Geschmack zu entwickeln. Interessant dabei ist vor allem die Entstehung der ersten Instrumente in der Menschheitsgeschichte und die Fähigkeit des Menschen musikalisch zu sein. Die „Erfindung“ Musik ist ein wichtiger Bestandteil unserer heutigen Kultur und auch in der Steinzeit in Vietnam hatte sie wachsenden Einfluss. Das kann man an den Ausgrabungen der Archäologen dort sehen, die belegen, dass Klänge die Menschen etwa 2000 Jahre vor Christus schon begeistert haben.

Ein Beispiel dafür ist das in Liȇn Đȃm gefundene Lithophon, das aus 23 verschieden großen Klangsteinen besteht, deren Anordnung man am ehesten mit einem Xylophon oder Vibraphon vergleichen kann, nur dass man bei diesen für den Klang Aufschlagstäbe aus Metall oder Holz verwendet. Das Lithophon aus Vietnam wurde in der Mitte des Landes aus einem Gebirgsbach geborgen und besteht aus Klangsteinen, die eine Länge von 19.5 bis 89.5 cm haben. Klangsteine wurden von den damaligen Menschen aus dem in Vietnam auffindbarem Gestein  kunstvoll geschliffen und waren nur von sehr talentierten Steinmetzen herstellbar.

Ganz nah rangezoomt: Die Klangsteine des steinzeitlichen Lithophons. (Foto: R. Weiser/LWL)

Lithophone wurden und werden noch heute dabei mit hölzernen Schlägeln gespielt. Den Unterschied in der Tonhöhe macht dabei nicht die Länge, sondern die Masse des Steins aus. Die Steine liegen bei dem Lithophon auf Seilen, damit der Klang nicht gedämpft wird. Verwunderlich ist, dass die Steine zumeist sehr exakt aufeinander abgestimmt sind. Die überraschend klare Töne von sich gebenden Lithophone sind in Vietnam schon seit der Jungsteinzeit, die dort vor etwa 3000 vor Christus begann, nachzuweisen und die gefundenen Steine des Lithophons in der Austellung sind heute, bis auf die fehlenden Aufschlagsteine, weitdesgehend immer noch intakt. Lithophone scheinen in Mittelvietnam ein kulturelles Phänomen gewesen zu sein, was die über 300 gefundenen Klangsteine von 25 Fundplätzen dort vermuten lassen.

Eines der ältesten Beispiele von Instrumenten, die mit Klangsteinen arbeiten, ist das auf Sumatra gefundene, prähistorische Lithophon „Talempong batu“, das aus sechs Steinblöcken unterschiedlicher Größe und Klanghöhe besteht. Das aus bis zu 1 Meter langen Klangsteinen bestehende Instrument wurde dann jedoch wahrscheinlich in der Bronzezeit von den Bronzetrommeln abgelöst.

Der Ausstellungsbereich zum Thema Steinzeit in Vietnam, hinten rechts das Lithophon.(Foto: LWL/Brentführer)

Auch heute noch kommen Lithophone, wenn auch seltener, zum Einsatz. Seit dem 20. Jahrhundert werden die Klanginstrumente auch im Orchester verwendet. Weiterentwicklungen haben sogenannte „Stone Marimbas“ entstehen lassen, die wie normale Marimbas gespielt werden. Ein interessantes Beispiel für moderne Klangsteine ist auch die „Great Stalacpipe Organ“, die in den Luray Höhlen gebaut wurden. Die dortigen, riesigen Tropfsteine werden von kleinen Hämmern in Schwingung versetzt. Dabei kann es auch vorkommen, dass einer der jahrtausendealten Tropfsteine abbricht, woraufhin man einfach einen anderen wieder in die Form bringt um denselben Ton zu ersetzen.

Zwar sind Klangsteine als solche noch seltener geworden, als sie es im jungsteinzeitlichen Vietnam waren, doch die Musik hat sich seit den ersten Instrumenten in der Geschichte der Menschheit immer weiterentwickelt und andere Wege gefunden, die Menschen zu faszinieren als durch den einfachen Klang einiger klingender Steine.

Moderne Klangsteine aus Vietnam zum selbst ausprobieren. (Foto: R. Weiser/LWL)

Neben dem Exponat in der Ausstellung gibt es auch ein Lithophon aus Vietnam, das man selbst ausprobieren kann. Es sieht dem Lithophon aus Liȇn Đȃm sehr ähnlich, obwohl sie mehr als 4000 Jahre trennen und das moderne Beispiel vor nicht allzu langer Zeit tatsächlich noch in Vietnam gespielt wurde.

Autor: Robert Weiser, Praktikant