Zwei bronzezeitliche Radnadeln

25.01.2019

Abb. 1 Die zwei bronzezeitlichen Radnadeln in der Dauerausstellung (Bildautor Laila Christmann)

Auf der Suche nach frühneuzeitlichen Militaria machte ein Sondengänger 1988 in den Resten eines Grabhügels in Werther im Kreis Gütersloh einen Fund, mit dem er nicht gerechnet hatte: Eine Radnadel. In Bad Driburg tauchte eine Radnadel bei dem Aufstellen eines Kreuzes auf einem Steinhügel auf. In Bad Driburg-Pömbsen suchten Arbeiter nach Wegesteinen und räumten dabei eine hügelartige Erhöhung ab. Auch unter dieser fanden sie eine Radnadel. All diese Radnadeln entstammen Grabhügeln. In den genannten Fällen wurden diese zu spät als archäologische Fundstelle erkannt. Die unsachgemäße Bergung zerstörte den Befund und die Bestattungsabfolge oder die genaue Lage der Überreste im Grabhügel war nicht mehr genau zu ermitteln.

Was sind Radnadeln?

Radnadeln finden sich in der mittleren Bronzezeit, also ungefähr zwischen 1600 und 1300 v. Chr., in Mitteleuropa und sind bislang nur als Grabbeigaben aus Hügelgräbern bekannt. Sie dienten als Teil der Frauentracht zum Verschließen von Gewändern. In Hessen und in Südthüringen sind Radnadeln sehr typische Grabbeigaben. Weiter nördlich, auch in Westfalen, tauchen sie weniger häufig auf. Bislang gibt es Radnadelfunde in diesem Raum nur in Bad Driburg, Paderborn, Borchen-Etteln, Werther und Münster. Die Verbreitung nach Nordwestdeutschland fand vermutlich über Einflüsse aus der hessischen Hügelgräberkultur statt. Hierbei ist allerdings noch unklar, ob die Radnadeln nur dort, oder auch lokal gefertigt wurden. Bisher finden sich Radnadeln nur in Frauengräbern. Die Art und Weise, wie die Damen die Nadeln trugen, variierte zwischen den verschiedenen Regionen. Während sich in Osthessen und in Norddeutschland stets eine Radnadel mittig fand, weisen die Befunde im Rhein-Main Gebiet zwei Radnadeln auf, je eine unterhalb des Schlüsselbeins.  Wo die Radnadeln bei den oben genannten Gräbern genau lagen, kann aufgrund der unsachgemäßen Bergung leider nicht mehr ermittelt werden.

Wie die regionalen Tragweisen variieren, so variieren auch die Gestaltungsmöglichkeiten der Radnadeln. Es gibt verschiedene Ausführungen dieser Nadel: einfach, oder als Doppelradnadel, mit einem eher runden oder ovalen Rad, mit einer oder mehreren runden oder eher eckigen Ösen und mit vielen verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten. In der Fachwelt spricht man von Speichenschemata. Die Herstellung erfolgte in ein- oder zweischaligen Formen. Ersteres führt zu einer Nadel mit einer flachen Rück- und profilierten Vorderseite, letzteres zu einer runden Nadel. Anhand dieser Merkmale werden Radnadeln zu verschiedenen Nadeltypen zusammengefasst. Die hier vorliegenden Radnadeln entsprechen dem Radnadeltyp „Unterbimbach“.

Abb. 2 Umzeichnung der Radnadel aus Münster (Bildautor LWL Archäologie)

Der Radnadeltyp „Unterbimbach“

Der Radnadeltyp „Unterbimbach“ zeichnet sich durch das sogenannte Speichenschema C. aus. Es handelt sich um eine Doppelradnadel – ein innerer Ring wird von einem äußeren eingeschlossen. Diese Ringe sind über Speichen verbunden. Vier Hauptspeichen verlaufen kreuzförmig durch den Nadelkopf, vier weitere Speichen verlaufen diagonal dazu nur zwischen dem inneren und dem äußeren Ring. Die Öse am Nadelkopfende ist rund und die Vorderseite kann mit Kerben verziert sein.

  • Abb. 3 Die Doppelradnadel aus Münster-Handorf (Bildautor LWL Cornelia Moors)

  • Abb. 4 Die Doppelradnadel aus Werther, Kreis Gütersloh (Bildautor LWL Stefan Brentführer)

Die Radnadeln im LWL-Museum für Archäologie

Beide Radnadeln wurden in zweischaliger Form hergestellt und entsprechen dem soeben behandelten Radnadeltyp „Unterbimbach“. Die Radnadel aus Münster-Handorf ist ca. 19 cm lang, ihr Kopf ist ungefähr 6 cm breit. Die Radnadel aus Werther ist mit einer Länge von ca. 23 cm und einer Kopfbreite von 6,5 cm etwas größer. Nach dem zufälligen Fund der Werther Radnadel fiel auf, dass der Waldboden an der Fundstelle steinig und gewölbt war. Vermutlich war also auch diese Nadel eine Grabbeigabe in einem Hügelgrab. Trotz des gestörten Zustands, in dem sich das Grab befand, war gut erkennbar, dass die Steine an dieser Stelle nicht zufällig zu einem Hügel aufgeschüttet, sondern überlappend geschichtet wurden. Zusätzlich zu der vorher gefundenen Radnadel fanden Archäologen bei der professionellen Nachgrabung noch zusätzlich Scherben, Knochenfragmente und Flintstücke. Die Höhe des Hügelgrabes konnte nicht rekonstruiert werden, der Durchmesser betrug ungefähr 12 Meter.

 

Laila Christmann

 

Literatur:

D. Bérenger/C. Grünewald (Hrsg.), Bronzezeit in Westfalen (Münster 2018) 58.

D. Bérenger, Ein bronzezeitlicher Grabhügel mit Doppelradnadel aus Werther, Kreis Gütersloh. In: Ausgrabungen und Funde in Westfalen-Lippe 9B (Mainz 1995) 1-14.

B. Herring, Die Gräber der frühen bis mittleren Bronzezeit in Westfalen, Teil 1: Text. Bodenaltertümer Westfalens 48 (Mainz 2009) 179-183.

B. Herring, Die Gräber der frühen bis mittleren Bronzezeit in Westfalen, Teil 2: Katalog und Tafeln. Bodenaltertümer Westfalens 48 (Mainz 2009).

R. Heynowski, Nadeln. Erkennen bestimmen beschreiben. Bestimmungsbuch Archäologie 3 (München 2014) 60-65.

G. Sudholz, Die ältere Bronzezeit zwischen Niederrhein und Mittelweser. Münstersche Beiträge zur Vorgeschichtsforschung, Band 1 (Hildesheim 1964) 56-59.