Scharfer Schmuck: Ein scharflappiger Wendelhalsring aus Hamm

09.09.2024 Praktikant:in

Gesamtaufnahme des Wendelhalsrings. © LWL/Stefan Brentführer

Als Schmuckliebhaber faszinieren mich die Stücke, mit denen sich die Menschen aus lang vergangener Zeit geschmückt haben, sehr. Bei meinem Lieblingsobjekt in der Dauerausstellung handelt es sich um einen Wendelhalsring. Er wurde aus Bronze gefertigt und hat einen Durchmesser von 17,5 cm. Das Gewicht beträgt 77,4 g. Gefunden wurde dieser um das Jahr 1870 in einem Brandgrab in der Heessener Straße in Hamm. Das Grab konnte man als das Grab einer Frau identifizieren. Datieren kann man dieses Schmuckstück in das 6. Jahrhundert v. Chr., was der frühen Eisenzeit entspricht. Es handelt sich hier um eine Dauerleihgabe der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Ein Wendelring – oder auch Wendelhalsring – ist ein Halsschmuck. Er wurde in verschiedenen Gebieten zu diversen Zeiten getragen. Außerdem gibt es verschiedene Typen von Wendelringen. Der scharflappige Wendelring, wie wir ihn hier sehen können, ist einer der aufwendigsten und massivsten Typen. Er gehörte zur Trachtausstattung und wurde ausschließlich von Reichen getragen. Der Fund eines Wendelhalsringes in einem Grab ist ein Indiz für eine gehobene gesellschaftliche Stellung.

Gefunden werden sie überwiegend in Grabkontexten. In Gräbern von Männern sowie Frauen, in Brand- aber auch Körperbestattungen. Meistens wurden die Wendelringe jedoch in Gräbern von Frauen gefunden. Auch Hortfunde sind keine Seltenheit. Der Schmuck wurde im mitteldeutschen Raum, in Polen und selbst auf den dänischen Inseln gefunden.

Wendelringe treten in der Bronzezeit (ca. 2000 bis 800 v. Chr.) erstmals auf. In Mitteldeutschland sind diese noch hunderte Jahre später zu finden. Man trug sie bis in die frühe Eisenzeit (ca. 800 bis 550 v. Chr.).

Detailaufnahme der Haptik Wendelhalsrings © LWL/Stefan Brentführer

Scharfer Schmuck?

Beim Betrachten eines solchen Halsschmucks fällt sofort auf, wie spitz die Kanten sind. Bequem wäre es sicherlich nicht, so einen scharfen Ring auf der Haut aufliegen zu haben. Daher musste die Trägerin unter dem Halsring wahrscheinlich einen Kragen aus Fell, Leder oder Stoff um den Hals tragen. Die meisten Trägerinnen waren weiblich. Das konnte man nach Auswertung von verschiedenen Grabfunden feststellen.

Die Herstellung

Da Wendelhalsringe entweder aus Gold, Silber, Bronze, Eisen oder anderen Metallen bestehen, mussten sie dementsprechend bearbeitet werden. Durch Erhitzen und Hämmern konnten die Metalle verformt werden. Um die gewünschte Form zu erreichen, gibt es eine besondere Technik.

Detailaufnahme des Verschlusses. © LWL/Stefan Brentführer

Bei diesem Exemplar wurde ein Bronzestab mit quadratischem Querschnitt gewählt. Zuerst schlug man auf jeder Längsseite mit einem Meißel eine Einkerbung hinein. Diese werden dann mit einem Hammer so lange bearbeitet, bis man im Querschnitt eine Kreuzform erkennt. Danach wird ein Drehhebel verwendet, um das Material einzudrehen. So entsteht die geschwungene Optik. Am Ende werden die quadratisch gebliebenen Stabenden abgebogen und der gesamte Stab über einen runden Klotz gebogen, sodass eine gleichmäßige Form entsteht. Nach diesen vielen aufwendigen Bearbeitungsschritten ist das Schmuckstück fertig.

Im folgenden Video ist der Herstellungsprozess dieses Wendelrings Schritt für Schritt rekonstruiert zu sehen:

Hologramm | LWL Herne Wendelring | AR | Mixed Reality | Holovitrine - YouTube

Dieses Video sieht man auch in der Dauerausstellung als Hologramm in der Vitrine des Wendelhalsringes. Diese wird auch Holovitrine genannt, da durch das Projizieren eines Videos auf eine abgeschrägte Glasscheibe in der Vitrine eine Art Hologramm kreiert wird.

„Echter“ und „unechter“ Wendelhalsring – Wo ist der Unterschied?

Es gibt ebenso „unechte“ Wendelringe, die auf nicht so aufwendige Weise hergestellt wurden. Diese wurden nämlich in eine Form gegossen. Es gibt auch Versionen, bei denen ein runder Stab verwendet wurde, in den Muster reingeritzt wurden. Oft musste für jeden Gussvorgang eine neue Form erstellt werden. Man musste nämlich nach Härten des Metalls die Gussform zerschlagen, um den Schmuck freizulegen. Die unechten Wendelhalsringe waren deutlich preiswerter. Dafür musste man sich jedoch mit einer eher vereinfachten Version zufriedengeben.

Unechter Wendelhalsring mit Einritzungen, ca. 600 v. Chr., Kupferlegierung, 21.3 x 22 x 1.7 cm, Metropolitan Museum of Art, Inv. Nr. 1987.395

Nicht nur äußerlich unterscheiden sie sich, auch die Funktion war anders. Man vermutet, dass man die Unechten als Opfer für Götter niedergelegt hat. Die Echten haben Menschen getragen und auch mit ins Grab gelegt bekommen. Das macht man daran fest, dass man die „Echten“ und „Unechten“ in verschiedenen Kontexten gefunden hat. Es wurden elf echte Wendelringe gefunden, von denen acht in Brandgräbern lagen. Das ist auch bei dem Exemplar aus Hamm so. Von den unechten Wendelringen wurden nur sechs von 16 Exemplaren in Gräbern gefunden. So eine andere Verteilung ist auffallend und wurde daher zur Unterstützung dieser These genutzt.

Bei den unechten, manchmal auch „imitiert“ genannten, Wendelhalsringen ist eine Entwicklung vorhanden. Zu Beginn gelangen ihnen eher dünnstabige Exemplare. Danach versuchten die Schmiede, die echten Wendelringe genau zu imitieren. Zuletzt entwickelten sie sich zu breiteren Formen weiter.

Die herausfordernde und fortgeschrittene Herstellungsweise und die Seltenheit eines solchen Fundes macht dieses Objekt zu meinem absoluten Lieblingsexponat in der Dauerausstellung. Ein echtes Meisterwerk der Schmiedekunst!

 

Praktikantin Lea Radebold


Literatur:

Torsten Capelle, Wendelring. In: Josef Mühlenbrock und Michael M. Rind (Hrsg.), Runde Sache(n). Ringe aus Westfalen (Herne, Steinfurt 2012) 25.

Ronald Heynowski, Die imitierten Wendelringe als Leitform der frühen vorrömischen Eisenzeit. Prähistorische Zeitschrift, Bd. 71, Nr. 1, 1996, 28-45.

Susanne Jülich, Gefährlicher Halsschmuck – ein echt scharfer Typ. In: LWL-Archäologie für Westfalen (Hrsg.) 100 Jahre, 100 Funde. Das Jubiläum der amtlichen Bodendenkmalpflege in Westfalen-Lippe (Darmstadt 2020) 118-119.

Birte Reepen, Fremdeinflüsse in der Eisenzeit Westfalens. In: Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie (Bonn 2016) Nr. 284.

Abbildungen:

Abb. 1-3: https://100jahre100funde.lwl.org/de/100-fundeepochen/eisenzeit/032-wendelhalsring/

Abb. 4: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Neck_Ring_(Torque)_MET_sf1987-395d3.jpg