Womit haben sich die Menschen damals eigentlich rasiert? – Das Zweischneidige Rasiermesser

31.07.2025 Praktikant:in

Mein Lieblingsobjekt

„Wie haben die sich damals eigentlich rasiert?“ – Ganz ehrlich, wer hat sich das nicht schon mal gefragt? Ich auf jeden Fall, denn als Bartträger komme ich an solchen Themen einfach nicht vorbei. Deshalb fiel meine Wahl für ein Lieblingsobjekt in der Ausstellung ziemlich schnell auf ein Rasiermesser aus der späten Bronzezeit. Klein und unscheinbar hilft es uns Geschichte greifbarer zu machen.

Beschreibung

Das Rasiermesser, das ich mir als Lieblingsobjekt ausgesucht habe, stammt aus der späten Bronzezeit, etwa zwischen 1000 und 800 v. Chr. Gefunden wurde es in Petershagen-Neuenknick im Kreis Minden-Lübbecke. Gefertigt aus Bronze, handelt es sich um ein zweischneidiges Rasiermesser mit einem auffälligen, dreigeteilten Rahmengriff, der in einen geschlossenen Endring mündet. Besonders markant ist der V-förmige Einschnitt an der oberen Kante der langrechteckigen Klinge.

Obwohl das Objekt beschädigt ist, lässt sich seine ursprüngliche Gestalt noch gut erkennen. Mit einer Länge von 12,5 cm, einer Klingenschneide von 2 cm Breite, einem 2,4 cm breiten Nacken, 3 mm Dicke und einem Gewicht von 16,6 g zeigt das Messer die typische Handlichkeit eines alltäglichen Gebrauchsgegenstands, und zugleich eine sorgfältige Gestaltung, die über bloße Funktionalität hinausgeht.

Heute ist das Rasiermesser unter der Inventarnummer 3.4.S – 3520,19 in der Sammlung verzeichnet. Es wurde ursprünglich 1983 unter der Alt-Nummer 1983.49 von einem Herrn Lindau aus Petershagen-Neuenknick übergeben.

Abb.1 Zweischneidiges Rasiermesser mit Maßstab, Fundangaben und Inventarnummern. (Foto: LWL/C. Moors)

Kontext

Rasiermesser sind in Europa seit der Mittleren Bronzezeit nachweisbar, also bereits ab dem 16. Jahrhundert v.  Chr. In dieser Zeit etablierten sich zwei Grundformen: Doppelschneidige Rasiermesser, wie das hier vorgestellte Exemplar, traten zuerst in Mittel- und Westeuropa sowie auf den britischen Inseln in Erscheinung, während einschneidige Rasiermesser ausschließlich in Skandinavien verbreitet waren – und dort erst etwa ein Jahrhundert später. Die Verwendung der Messer zur Rasur ist nach Aussage des Kulturhistorikers Frank Gnegel durch Haarreste an den Klingen archäologisch nachgewiesen.

Abb.2 Gesamtansicht des Rasiermessers (Foto: LWL/C. Moors)

Besonders in der späten Bronzezeit (ca. 1300–800 v. Chr.) wurden doppelschneidige Rasiermesser mit charakteristischem Rahmengriff in vielen Regionen Europas zu Grabbeigaben – ein Hinweis auf ihren symbolischen wie praktischen Stellenwert. Der deutsche Prähistoriker Albrecht Jockenhövel dokumentiert in seinem Standardwerk Die Rasiermesser in Westeuropa zahlreiche Fundstücke aus Deutschland, den Niederlanden, Frankreich, Belgien, Großbritannien und Irland. Sie zeigen, dass Rasiermesser nicht nur Werkzeuge der Körperpflege, sondern auch Ausdruck von Status, Identität und ästhetischem Bewusstsein waren.

Abb.3 Nahaufnahme der Messerklinge (Foto: LWL/C. Moors)
Abb.4 Nahaufnahme des dreigeteilten Griffes (Foto: LWL/C. Moors)

In der Ausstellung

Zu sehen ist das Rasiermesser in der Dauerausstellung im Bereich „Neue Wege – Bronzehandel und Grabwandel“, der sich der westfälischen Bronzezeit widmet. In einer der Vitrinen sind dort mehrere doppelschneidige Rasiermesser, teils mit kunstvollen Griffen, gemeinsam mit bronzenen Pinzetten ausgestellt.

Abb. 5 Die Vitrine mit Rasiermessern und Pinzetten in der Dauerausstellung (Foto: LWL/S. Nahi)

Die Zusammenstellung verweist auf den Wandel von Alltagspraktiken wie Körperpflege und Selbstdarstellung in der späten Bronzezeit – und veranschaulicht zugleich, wie eng persönliche Gegenstände mit gesellschaftlichem Status, Ritualen und Grabkultur verbunden waren.

Abb.6 Nahaufnahme der Vitrine (Foto: LWL/S. Nahi)

Soufian Nahi/Praktikant 


Literaturverzeichnis und Abbildungsverzeichnis

Gnegel, Frank: Bart ab. Zur Geschichte der Selbstrasur. (Köln 1995).

Jockenhövel, Albrecht: Die Rasiermesser in Westeuropa (Westdeutschland, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Großbritannien und Irland) (München 1980).

Kaul, Flemming: The Nordic Razor and the Mycenaean Lifestyle. In: Antiquity 87, 336. (Kopenhagen 2013) 

 

Abb. 1. Foto: LWL-Museum für Archäologie, Herne/Cornelia Moors.

Abb. 2. Foto: LWL-Museum für Archäologie, Herne/Cornelia Moors.

Abb. 3. Foto: LWL-Museum für Archäologie, Herne/Cornelia Moors.

Abb. 4. Foto: LWL-Museum für Archäologie, Herne/Cornelia Moors.

Abb. 5. Foto: LWL-Museum für Archäologie, Herne/Soufian Nahi (Praktikant).

Abb. 6. Foto: LWL-Museum für Archäologie, Herne/Soufian Nahi (Praktikant).