Mein Lieblingsobjekt – Drei Schwerter von der Ruhr

27.05.2016

Annette Babetzki und ihr Lieblingsobjekt (Foto: Marcus Coesfeld)

Ein bronzezeitlicher Schwertschwur in Hagen?

Bei meinem Lieblingsobjekt in der Dauerausstellung des LWL-Landesmuseums für Archäologie in Herne handelt es sich um die drei bronzezeitlichen Schwerter.

Seit einem Referat und einer Hausarbeit über Elitegräber mit Schwertbeigaben in der Bronzezeit faszinieren mich die gesellschaftlichen Strukturen dieser Epoche. Um Aussagen über vergangene Gesellschaften treffen zu können, kann für uns Archäologen besonders der Aufbau und die Anordnung von Gräbern und deren Beigaben hilfreich sein. Über solche Funde lassen sich Hypothesen darüber aufstellen, wie die Gesellschaftsstruktur der Menschen damals aussah.

Die drei Schwerter von der Ruhr (Foto: Annette Babetzki)

Die Schwerter

Die drei Waffen sind sogenannte Griffzungenschwerter aus der Spätbronzezeit. Diese Langschwertart wurde in einem Stück gegossen. Ihre Gussform bestand vermutlich aus Lehm. Dafür sprechen die Feinheiten der gegossenen Verzierungen. Auf Schwert 1 scheint sich der Lehm in das Material eingefressen zu haben. Die Verzierungen zeigen, dass die Schwerter von drei verschiedenen Schmieden hergestellt worden sind. Die Klinge geht in eine Griffzunge über, an die der Griff genietet wurde. Mit der Griffzunge ist das Heft fest verbunden. Die Griffe sind nicht erhalten, da sie aus organischem Material bestanden, welches die Zeit nicht überdauerte. Sie wurden mit Nieten an den Schwertern befestigt – ihre Nietlöcher sind noch zu erkennen.

Schwerter im Grabkontext

Die Forschung ist sich darüber einig, dass Bestattungen mit Waffenbeigaben eine Sonderstellung einnehmen. Diese sind oft mit weiterem hervorgehobenem Grabinventar gekennzeichnet, wie zum Beispiel mit goldenem Trachtschmuck. Scheinbar ist die Bestattungsart für diese „Elite“ irrelevant, Brandbestattungen kommen ebenso vor wie Körperbeisetzungen in Steinkistengräbern.

Schwerter bilden die größte Gruppe unter den Waffenbeigaben zu dieser Epoche in diesem Gebiet.

Skizze eines der Schwerter

Die Hagener Schwerter im LWL-Museum für Archäologie

Die Schwerter, die in Herne ausgestellt sind, stammen ursprünglich aus Hagen. Gefunden wurden sie 1876 zusammen am Kaisberg in Hagen-Vorhalle – während Eisenbahnarbeiten. Daher ist der genaue Befund nicht dokumentiert worden.

Schwerter sind in Westfalen so selten, dass diese drei auf drei verschiedene Museen verteilt wurden. Schwert 1 befindet sich hier im LWL-Museum für Archäologie in Herne. Schwert 2 ging ins Ruhr Museum in Essen und im Museum Burg Altena wurde Schwert 3 ausgestellt. Um die drei Hagener Schwerter, die gemeinsam gefunden wurden, geschlossen ausstellen zu können, wurden jeweils die zwei fehlenden Schwerter kopiert.

Über die genaue Funktion der Schwerter und den Grund ihrer Niederlegung ist sich die Forschung noch unsicher. Einige Beschädigungen werden als Gebrauchsspuren gedeutet. Diese werden aber angezweifelt; so wäre eine Funktion als Schauwaffe ebenfalls möglich. Durch Vergleiche der Schwerter des gleichen Typs werden die Hagener Schwerter auf einen Zeitraum etwa der frühen Hallstattkultur datiert, also zwischen 1.000 und 800 v. Chr. Weitere Untersuchungen legen die Vermutung nahe, dass es sich bei den Schwertern um Importstücke aus dem Oberrheingebiet oder sogar Ostfrankreich handeln könnte, da diese Schwerttypen in diesen Regionen typisch sind.

Drei Schwerter von der Ruhr (Foto: Annette Babetzki)

Interpretation zur gesellschaftlichen Struktur

Da die Schwerter oft in Gräbern gefunden wurden, die sich von den übrigen auf dem Gräberfeld abheben, können diese Aufschluss über bestimmte Gesellschaftsstrukturen in der Vergangenheit bringen. In der Forschung wird angenommen, dass die Schwerter als Beigaben im Zusammenhang mit einer, wie auch immer gestalteten, Führungsschicht stehen. Bewiesen werden konnte ein Adelsstand für die Bronzezeit bisher aber nicht.

Die Schwerter aus Hagen-Vorhalle werfen weitere Fragen auf, da diese wahrscheinlich nicht in einem Grabkontext gefunden wurden.

Das Schwert ist als Standessymbol angesehen worden und diente als besonderes Privileg zu Leb- und Grabzeiten. Als Statussymbol kann die Waffe vermutlich für einen Verteidigungsbedarf von Gütern und der Sippengemeinschaft interpretiert werden – oder auf ein kriegerisches Selbstverständnis hindeuten (vgl. Sperber, 644). Ebenso könnte das Schwertsymbol auf kriegerische Auseinandersetzungen zur Rohstoffgewinnung gedeutet werden.

Wenn der Besitz von Waffen ein Privileg irgendwie gearteter Häuptlinge war, könnten diese über Waffenkammern/Arsenale verfügt haben, um die Bevölkerung mit Waffen auszurüsten (vgl. Sperber, 645). Die Schwerter bilden bei der Untersuchung zur sozialen Struktur der Bronzezeit nur einen Indikator, so müssen auch die Architektur des Grabes und die Kombination der weiteren Grabbeigaben berücksichtig werden.

Während des Übergangs der Bronze- zur Eisenzeit, also etwa um 1.200 v. Chr., tauchen Schwertbeigaben nur noch vereinzelt auf und entfallen bis 1.000 v. Chr. völlig (vgl. Sperber, 607). Ab ca. 880 v. Chr. setzen die Schwertträgergräber wieder ein. Wie kam es zu diesem Einbruch der Schwertbeigabe? Eine These könnte sein, dass in dieser Zeit auf Gräber verzichtet wurde und die Schwerter in Wasserläufen rituell versenkt wurden. Dies könnte einen Wandel des Jenseitsglaubens zur Grundlage haben (vgl. Sperber, 650f). Eine solche These würde auch zu den Hagener Schwertern passen, da sie in die Zeit datiert werden, in der es keine Schwertbeigaben gab, und sie nicht in einem Grab gefunden wurden.


Weiterführende Literatur

  • A. Jockenhövel: Der Schwerthortfund vom Kaisberg bei Hagen-Vorhalle. Technologische Untersuchungen an drei spätbronzezeitlichen Schwertern aus dem Hortfund von Hagen-Kaisberg, in: D. Bérenger (Hrsg.): Archäologische Beiträge zur Geschichte Westfalens – Festschrift für Klaus Günther. Studia honoraria 2 (Rahden/Westf. 1997), S. 133-154.
  • K. Niederhöfer: Bronzezeit und vorrömische Eisenzeit.
  • D. Bérenger und C. Grünewald (Hrsg.): Westfalen in der Bronzezeit, Münster 2008.
  • L. Sperber: Zu den Schwertträgern im westlichen Kreis der Urnenfelderkultur: Profane und Religiöse Aspekte; in: Kilian-Dirlmeier, Imma u. A. (Hrsg.) Eliten in der Bronzezeit: Ergebnisse zweier Kolloquien in Mainz und Athen (Mainz 1999).

 

Annette Babetzki, ehemalige Praktikantin