Erfahrungen

15.07.2016

Der Grabungsleiter beim Nachdenken über den potentiellen Einsatzbereich (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/M.Thede)

Ein Essay zur Ausgrabung auf der Holsterburg

Derjenige, der heute mit dem Namen Aldous Huxley konfrontiert ist, denkt in erster Linie an seinen weltberühmten, 1932 veröffentlichten Roman „Brave New World“. Dem ein oder anderen dürften bei längerem Nachdenken vielleicht auch noch die Titel weiterer seiner Romane oder Essays einfallen, die wenigsten dürften Huxley jedoch mit einzelnen Zitaten in Verbindung bringen; Zitate, die durchaus Nachhall in der Literatur und im Zusammenhang mit allgemeiner Gesellschaftskritik fanden. Eines der wichtigsten Zitate Huxleys lautet in diesem Zusammenhang: „Kluge Menschen suchen sich selbst die Erfahrungen aus, die sie zu machen wünschen.“

In wesentlichen Punkten stellt die Archäologie ein Handwerk dar; ein Handwerk, welches von „Erfahrung“ bzw. „Erfahrungen“ lebt. Und erste Erfahrungen in diesem Bereich sammelt man (normalerweise) im Rahmen eines Praktikums. Solche Praktika sind dabei besonders hinsichtlich zweier Aspekte sinnvoll. Zum einen können sie die grundsätzliche Frage beantworten, ob die (Feld-)Archäologie tatsächlich etwas darstellt, mit dem man sich beruflich auseinanderzusetzen wünscht. Zum anderen bieten sie die Möglichkeit theoretisch erworbenes Wissen in die Praxis umzusetzen. Dies ist besonders im Zusammenhang mit dem universitären Lehrbetrieb anzuraten.

Angeregte Diskussion über mögliche Einsatzbereiche (Foto: M.Wetzel)

Dem erfahrenen Archäologen obliegt dabei natürlich eine nicht unerhebliche Verantwortung. Er hat die Aufgabe dem Praktikanten innerhalb eines meist sehr begrenzten Zeitrahmens einen möglichst umfassenden Einblick in die Materie und die Arbeitsweisen auf einer archäologischen Grabung zu bieten. Die einfachste Möglichkeit besteht natürlich darin, die Praktikanten einfach „ins kalte Wasser zu werfen“. Die Frage ist jedoch, ob eine derartige Vorgehensweise ohne Vermittlung des entsprechenden theoretischen wie handwerklichen Hintergrundes wirklich zweckführend ist. Im Idealfalle bedarf es somit einer gewissen Vorplanung dessen, was man den Praktikanten im Rahmen ihres Aufenthaltes auf einer Ausgrabung tatsächlich „auf’s Auge drückt“.

Arbeitsfoto – Mauerputz (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/M.Thede)

Im Rahmen einer lockeren Runde im Kreis der Volontäre der LWL-Archäologie für Westfalen kam ich als Mitarbeiter des Fachreferates für Mittelalter- und Neuzeitarchäologie im Mai letzten Jahres mit Marcus (kluger Mensch, s.o.), dem Volontär der Museumspädagogik des LWL-Archäologiemuseums in Herne ins Gespräch. Dabei zeigte sich sehr bald, dass es durchaus in seinem Interesse war, das im Museum theoretisch und optisch zu fassende Ergebnis unserer Tätigkeiten auch einmal in seiner praktischen „Entstehung“ zu fassen. Da der LWL den Volontären dankenswerterweise die Möglichkeit bietet auch in über das eigentliche Aufgabenfeld eines jeden Volontärs hinausgehende Tätigkeitsbereiche hinein zu schnuppern, war der Entschluss von Marcus relativ schnell gefasst: die Volontäre des Museums sollen ein Praktikum im Bereich der Feldarchäologie absolvieren. Und da auch die Stadtarchäologie Paderborn an dieser Gesprächsrunde beteiligt war, boten sich auf einmal sogar zwei Praktika in unterschiedlichen Bereichen an: zum einen der Einsatz im wichtigen Bereich der Stadtarchäologie, zum anderen ein Einsatz auf der Holsterburg, jener Anlage also, welche gegenwärtig die Mittelalterforschung in ganz Europa elektrisiert. Ersteres ist bereits absolviert und im Rahmen eines Erfahrungsberichtes auf diesem Blog dokumentiert, letzteres steht nun im Juli an.

Ereignisse werfen ihre Schatten bekanntermaßen voraus. Und so haben natürlich auch auf der Holsterburg bereits jetzt die Planungen hinsichtlich dessen begonnen, was wir den Praktikanten nun am Ende tatsächlich „auf’s Auge drücken“. Wir müssen also eine Stelle innerhalb der Burg ausmachen, welche binnen kürzester Zeit die Möglichkeit bietet, den Praktikanten, basierend auf den oben genannten Maßgaben, Erfahrungen in sämtlichen für die Feldarchäologie wesentlichen Tätigkeiten zu vermitteln. Sie sollen mit dem Grabungswerkzeug arbeiten, sie sollen erkennen, freilegen, beschreiben, fotografieren und zeichnen (kurz dokumentieren), ihre Erkenntnisse in die Datenbank einpflegen – und dies alles an einer Stelle, die uns in der Dokumentation der Anlage weiterbringt, den Praktikanten gleichzeitig deren Komplexität und Schwierigkeit vor Augen führt und – auch das darf nicht zu kurz kommen – den Spaß an der Arbeit vermittelt. Nach mehreren teaminternen Diskussionen sind wir nun der Meinung eine solche geeignete Stelle ausgemacht zu haben. Die groben Vorarbeiten erledigen wir nun sukzessive in den nächsten Wochen, im Juli sind dann die Praktikanten am Zug.

Das Oktogon und seine Innenbebauung kurz vor Abschluss der Grabungskampagne 2015 (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/D.Welp, R.Klostermann)

Welche Stelle aber nun genau in Angriff genommen wird, soll hier natürlich noch nicht verraten werden. Das sollen die Praktikanten in einem weiteren Blog-Beitrag an dieser Stelle nach ihrer Zeit auf der Holsterburg selbst schildern. Sie können sich jedoch darauf einstellen, dass sie am Ende an einigen Erfahrungen reicher sein werden. Soviel kann jedoch jetzt schon gesagt werden: Sie werden 1. ein sehr herzliches Grabungsteam kennenlernen, das schnell und effektiv arbeitet, dabei jedoch den Spaß nicht vergisst und in der Lage ist neue Mitarbeiter schnell zu integrieren und „Handwerkliches“ schnell und verständlich zu vermitteln; 2. werden sie erkennen, dass das Klischee, der Archäologe arbeite vornehmlich mit einem Pinsel, definitiv falsch ist; und 3. dass, sollte das Wetter nicht mitspielen, Henry Fords Ausspruch gilt „Ganz oben auf der Liste meiner Erfahrungen steht die Erkenntnis, dass man unangenehmen Dingen nicht einfach aus dem Weg gehen kann.“

Bleiben wir abschließend bei Zitaten: Aristoteles sagte einst, Erfahrung sei der Anfang aller Kunst und jeden Wissens. Hinsichtlich der Archäologie werden wir diese ersten Erfahrungen vermitteln und ergänzen. Und am Ende wird sicher keiner sagen müssen: „Da steh ich nun, ich armer Tor! / Und bin so klug als wie zuvor.“

Kim Wegener (LWL-Archäologie für Westfalen, Mittelalter- und Neuzeitarchäologie)