Ein Gefühl von Heimat - Terra Sigillata im Museum Herne

30.08.2021 Praktikant Herne

Abb.1, Terra Sigillata Schale im LWL Museum Herne (Bildrecht C. Dohmen)

Heimat bedeutet wohl für jede:n  etwas  anderes.  Der Ort an dem man aufgewachsen ist, ein bekannter Duft, das Essen von  Oma,  Freunde  und  Familie.  Das alles und noch viel mehr  kann Heimat bedeuten.  Aber auch Objekte,  welche  fester  Bestandteil  des  Lebens  sind,  können  anderenorts ein Gefühl von Heimat vermitteln. Als sich die Römer, während der Ausdehnung ihres Reiches, in Gallien, Germanien und Britannien niederließen, überbrachten sie vielerlei Aspekte ihres „alten“ Lebens in ihr neues. Um das Heimatgefühl zu wecken wurden unter anderem bekannte Keramikgefäße, darunter die markanten roten Terra Sigillata, reproduziert.

Die Ausdehnung des Römischen Reiches und dessen Auswirkungen

Das römische Militär fand bei seinem Eintreffen nördlich des römischen Imperiums, wie etwa in Gallien oder Germanien, Einwohnerschaften vor, welche als unkultiviert angesehen wurden. Die Verbindung zum Römischen Reich beeinflusste die in Germanien beheimateten Gruppierungen auf vielerlei Weisen. Zum einen sorgten sie mitunter durch kriegerische Auseinandersetzungen für eine Verschiebung von Siedlungsgebieten, zum anderen wirkte sich ihr Miteinander und die Faszination des „Römischen“ auf Belange des alltäglichen Lebens, wie beispielsweise die Ausübung von Kunsthandwerk, aus. Durch die „Romanisierung“ wurden die ansässigen Gruppierungen jedoch nicht vertrieben, sondern vielmehr durch die römische Lebensweise in Aspekten wie Sprache, den Gebrauch von Objekten zu bestimmten Zwecken, geprägt.

 

Herstellung

Besonders in den ersten beiden Jahrhunderten nach Christi Geburt wurde der rötliche Ton in eine vorher präparierte Form, mit entsprechenden Aussparungen für Reliefs oder Motivik, gegeben (Vgl. Abb.2). Dies war weniger einer individuellen Gestaltung, als eher einer Massenanfertigung ein und desselben Gefäßes dienlich. Die Reliefs der Terra Sigillata Keramik zeigen eine große Bandbreite verschiedenster Motive, wie beispielsweise Tiere und Pflanzen, aber auch der römischen Mythologie entsprungenen Themen. Nachdem der Ton, abhängig je nach Modelschale, in seiner Form bearbeitet wurde, fügten die Töpfer:innen sowohl den Fuß des Gefäßes als auch den Rand (Lippe) an. Auffällig ist in besonderem Maße die orange- bis rotbraune Färbung der Gefäße, welche durch den Brand bei über 950°C entstand, und im Anschluss durch einen glänzenden Überzug versiegelt wurde.

Abb.2, Beispiel einer Modelschale (Bildrecht Yvonne Mühleis)

Terra Sigillata in Germanien

Die in Germanien erschaffene Terra Sigillata Keramik orientierte sich an jener, welche zuerst aus bekannten römischen Herstellungsorten und später auch aus dem Süden Galliens, importiert wurden. Während die Terra Sigillata zu Beginn der Handelsbeziehung vornehmlich als Tauschware gehandelt wurde, etablierten sich mit der Zeit lokale Produktionsstätten. Bereits für das 1. Jahrhundert n. Chr. lässt sich die Entstehung provinzeigener Töpfereien nachweisen. Römische Terra Sigillata Produkte, deren Darstellungsweisen und Verzierungen von den germanischen Töpfer:innen imitiert wurden, waren entsprechend kostspielig, sodass eine provinznahe Produktion lohnenswert erschien. Die innerhalb des Römischen Reiches als Tafelgeschirr genutzte Keramik, welche in ihrer Form in Anlehnung an Vorbilder aus Metall gefertigt wurde, kann zudem als Nachahmung sowohl von Silber- als auch Glasgeschirr verstanden werden, wie es nur in den gehobenen Haushalten der Römer zu finden war.

Abb.3, Bild von 2 Terra Sigillata Schalen aus Unna (Bildrecht Josef Klem)

Terra Sigillata im LWL-Museum Herne

Die  Terra  Sigillata  Schüssel  aus  dem  LWL  Museum  in  Herne,  welche  auf  das  2.  Viertel  des  2. Jahrhunderts  n.  Chr.  datiert wird,  stammt  aus  einer Töpferei  in Trier (Vgl. Abb.1).  Sie ist mit  Darstellungen  verziert,  welche  die  römische  Personifikation  des  Sieges,  Victoria,  umgeben  von  einem Palmzweigträger  und  einem  Philosophen  zeigt.  Dabei  wurden  zwei  Szenen  umlaufend,  sich  abwechselnd dargestellt. Die Terra Sigillata Schüssel aus Trier wurde 1912 in Unna bei einer Ziegelei zusammen mit einer weiteren Schüssel gefunden (Vgl. Abb.3). Mit einem Durchmesser von 26 cm und einer Höhe von circa 13 cm sind die  Objekte  annähernd  gleich  groß. Anhand von Knochenresten, welche in  beiden  Schüsseln  gefunden  wurden,  kann  davon  ausgegangen werden, dass sie zuletzt als Urne dienten. In den nördlich der Alpen beheimateten Gruppierungen galten  sie  als  Zeichen  eines  entsprechenden  sozialen  Standes,  durch  deren  Besitz  die  persönliche Stellung gesichert erschien.

Abb.4, Ausstellungsansicht LWL Museum Herne (Bildrecht Claire Dohmen)

Die  an  römische  Originale  anlehnenden  Nachahmungen  können  als  Zeichen  der  Macht  und  des Einflusses  der  Römer  und  ihrer  Kunst  verstanden  werden. Ebenjener Einfluss wird auch in der Dauerausstellung des LWL Museums in Herne aufgegriffen (Vgl. Abb.4). Im Anlehnung an die Schnittpunkte des Römischen Reiches mit den hiesigen Bevölkerungsgruppen wurden entsprechende Vitrinen asynchron zur übrigen Ausstellungsgestaltung platziert und verdeutlichen dadurch einen Eingriff in Landschaft und Leben.

Claire Dohmen, Studentische Praktikantin


Literaturnachweise

Helga Baumgartl: Bestattungen in römischen Importgefäßen in der Germania Magna während der römischen Kaiserzeit, Wien 2009

Hans Dragendorff: Terra Sigillata. Ein Beitrag zur Geschichte der griechischen und römischen Keramik,Vir-ginia 1895

Hartmut Kaiser: Zum Beispiel Waiblingen. Römische Töpfereien in Baden-Württemberg, in: Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg (Hrsg.): Imperium Romanum. Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau, Ulm 2005, S. 403-409

Dirk Kraus: Das Phänomen Romanisierung. Antiker Vorläufer der Globalisierung?, in: Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg (Hrsg.): Imperium Romanum. Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau, Ulm 2005, S. 56-62

Arnulf Krause: Die Geschichte der Germanen, Frankfurt 2005

Stefanie Martin-Kilcher: Handel und Importe. Das Imperium Romanum als Wirtschaftsraum, in: Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg (Hrsg.): Imperium Romanum. Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau, Ulm 2005, S. 426-434

Hartmut Polenz: Römer und Germanen in Westfalen, Münster 1985

Bernhard Rudnick: Reich verzierte Keramik -  Der Kelch des M. Perennius Tigranus, in: Landschaftsverband Rheinland (Hrsg.): An den Grenzen des Reiches. Grabungen im Xantener Legionslager am Vorabend des ersten Weltkrieges, Mainz 2014, S. 220f

Bernhard Rudnick/ Maike Sieler: Römisches Tafelgeschirr – Terra Sigillata, in: Landschaftsverband Rheinland (Hrsg.): An den Grenzen des Reiches. Grabungen im Xantener Legionslager am Vorabend des ersten Weltkrieges, Mainz 2014, S. 218f

LWL: https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/input_felder/anzeigen.php?verzeichnis=med&dateiname=bh-084-02.jpg&bild_id=538

 

 

Abbildungsnachweise

Abb.1 Claire Dohmen

Abb.2 Formschüsseln zur Herstellung von Terra-Sigillata-Bilderschüsseln aus Nürtingen, ALM, Foto Yvonne Mühleis, in: Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg (Hrsg.), Imperium Romanum. Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau, Ulm 2005, S. 406

Abb.3 Josef Klem, LWL Münster 

https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/input_felder/anzeigen.php?verzeichnis=med&dateiname=bh-084-02.jpg&bild_id=538

Abb.4 Claire Dohmen