Titel: Modellbau in der Dimension 1:1 – Wie bringt man ein Monument ins Museum? (Stonehenge – Blick in den Aufbau Teil III)

25.08.2021 Tabea Malter

(Bild: LWL/T. Malter)

Verehrte Leser:innen, man ist mir auf der Spur, aber ich kann nicht länger schweigen! Sie haben ein Recht, alles zu erfahren! Deshalb decke ich nun die ganze Wahrheit über das Bauwerk auf, das als „Stonehenge in Herne“ bezeichnet wird.
Die wichtigste Info vorab: Der Steinkreis, der ab dem 23. September in der Sonderausstellung „Stonehenge – Von Menschen und Landschaften“ zu sehen sein wird, besteht nicht aus echtem Stein. Sondern aus Styropor. Aber diejenigen unter Ihnen, die meinen Beitrag „Mehr als nur Kulisse – Wie baut man Stonehenge im Maßstab 1:1“ gelesen haben, sind davon wohl schon nicht mehr schockiert. Dort habe ich Ihnen versprochen, Details über die Herstellung und den Aufbau unseres Stonehenge-Nachbaus zu verraten. Und dieses Versprechen löse ich jetzt ein, im zweiten Teil unseres Grundkurses „Modellbau 1:1“.

Vom Original zur Styroporreplik
Am Anfang der Arbeiten stand die Entscheidung, Stonehenge nicht in seinem heutigen, mit Moosen und Flechten bewachsenen Zustand zu zeigen, sondern unser Publikum in die Zeit seines Baus und seiner Nutzung zu führen. Basierend auf dreidimensionalen Aufnahmen des originalen Stonehenge konnte ein virtuelles Modell errechnet werden, das dem Original bis auf wenige Zentimeter genau entspricht, aber es von den darauf wachsenden Flechten befreit. Dieses musste dann wieder aus der digitalen in die analoge Welt zurückgeführt werden. Die Firma Accentform bewerkstelligte dies mit mehreren großen CNC-Fräsen. Damit können aus einem Block eines Grundmaterials, beispielsweise Styropor, dreidimensionale Formen herausgearbeitet werden. Die Entscheidung, mit Styropor zu arbeiten, hatte mehrere Vorteile: Das Material ist sehr stabil, sehr leicht, lässt sich gut und präzise bearbeiten und ist vergleichsweise kostengünstig. Es hat aber auch einen Nachteil: Es ist kein natürlicher, nachwachsender Rohstoff. Es kann zwar recycelt werden, aber trotzdem sollte man mit solchen Dingen (wie mit allen Rohstoffen) immer sparsam und nachhaltig umgehen. Um unnötigen Ausschuss bei der Fertigung zu vermeiden, wurden die einzelnen „Steine“ deshalb nicht aus je einem großen Styroporblock gefräst, sondern digital in kleinere Stücke „zerschnitten“, die dann aus passenden Platten herausgearbeitet wurden. Die Puzzleteile wurden anschließend zu den „Steinen“ zusammengesetzt und verklebt.

  • (Bild: Accentform)

  • (Bild: Accentform)

Eine möglichst naturnahe Oberfläche muss her
Die Repliken waren schon in ihrem Rohzustand äußerst beeindruckend. Auch uns vom Projektteam wurde erst bei ihrem Anblick im April 2021 die enorme Dimension unseres Vorhabens so richtig bewusst. Die kleineren Blausteine sind nur etwas über 2 m hoch, die kleineren Sarsen (sehr harte Sandsteine, die neben den Blausteinen in Stonehenge verbaut sind) überragen schon 4 m und der größte der Sarsen misst stolze 7 m! Hinzu kommt, dass die Sarsen bis zu 3 m breit und bis zu 2 m tief sind. Sie haben zum Teil Oberflächen von rund 40 m² und Volumina von bis zu 16 m³.
So blütenweiß in ihrem Rohzustand sollten die Nachbauten aber natürlich nicht bleiben. Ab ging es in die Beschichtungskammer, wo sie mit verschiedenen Schichten zur Grundierung und Härtung überzogen wurden. Schließlich sollen die „Steine“ nicht unter ihrem Eigengewicht zusammenbrechen und auch leichtere Berührungen und Stöße aushalten können. Eine Herausforderung war dabei, die Fugen, die zwischen den einzelnen Puzzleteilen der Repliken bestanden, möglichst unter der Beschichtung verschwinden zu lassen, damit keine unnatürlichen geraden Linien die Illusion von echtem Stein stören.

  • (Bild: Accentform)

  • (Bild: Accentform)

  • (Bild: Accentform)

Schließlich wurden die „Steine“ mit einem Gemisch aus Klebstoff und Sand in verschiedenen Körnungen und Farbschattierungen überzogen. Dadurch wurde eine realistische Oberfläche geschaffen, die nicht nur so aussieht, sondern sich auch so anfühlt wie die echten Sarsen und Blausteine von Stonehenge. Ab da brachten die Stücke jeweils bis zu 350 kg auf die Waage. Absolute Fliegengewichte verglichen mit den Originalen, die bis zu 40 Tonnen wiegen. Farblich orientierten wir uns dabei an Proben von frisch geschlagenem und bearbeitetem Sarsen und Blaustein, denn unsere Repliken sollen Stonehenge ja in seinem „Neuzustand“ zeigen. Die Masse aus Kleber und Sand war aber natürlich zu gleichmäßig um als echter Stein durchzugehen. Um die Illusion perfekt zu machen, rückten nun zwei wahre Künstler mit Airbrush und Spraydosen an. Nach ein paar Versuchen hatten sie die optimalen Techniken gefunden und gaben unserem Styroporhenge einen natürlichen Look.

Die Montage erfordert vollen Einsatz
Nun war nur noch das Problem mit unserer Zuwegung zu lösen. Auf dem Weg von unserer Anlieferungsrampe in die Ausstellungshalle sind eine scharfe Kurve und mehrere Tore zu passieren, für die einige der Steine schlicht zu lang und zu dick waren. Sie wurden deshalb wieder in zwei bis drei Teile zersägt. Die Teilung wurde erst nach ihrer Fertigstellung vorgenommen, um sicherzustellen, dass die Teile anschließend auch wieder ganz genau aufeinanderpassten. Und dann ging es los. Die Teile wurden auf Anhänger und in Transporter verladen und von Nienstädt nach Herne gefahren. Dort abgeladen, in die Halle bugsiert und schließlich in mehr als 18 Stunden Arbeit aufgestellt, befestigt und zusammengebaut. Die „Steine“ wurden genauso platziert, wie sie auch im Original zueinander stehen. Die Decksteine auf die Tragsteine zu heben war dabei eine echte Herausforderung, trotz moderner Hubwägen und des vergleichsweise geringen Gewichts. Wir staunten einmal mehr über die Leistung der Menschen, die das vor rund 5000 Jahren mit echten Sandsteinblöcken geschafft haben. Anschließend mussten die Fugen zwischen den einzelnen Bauteilen noch einmal verspachtelt und farblich angeglichen werden.

  • (Bild: LWL/C. Moors)

  • (Bild: LWL/T. Malter)

  • (Bild: LWL/C. Moors)

In einem ersten Arbeitsblock wurde nur das Hufeisen aus Sarsen aufgestellt. Es ist in einer Unterkonstruktion aus Holzbalken fest verankert. Auch ein Statiktest wurde dabei durchgeführt, um die Sicherheit zu gewährleisten. Dann bauten unsere Tischler um die Repliken herum ein ca. 40 cm hohes Holzpodest sowie davor die halbrunde Projektionswand. An deren Außenseite wurden die Reliefs des äußeren Steinkreises befestigt und in der Mitte des Podests die im Zentrum von Stonehenge liegenden und stehenden Sarsen und Blausteine montiert. Und dann war es fertig: Stonehenge in Herne! Ergänzt wird es durch zwei Projektionen (insgesamt rund 90 m² Fläche), die den Rest des Steinkreises ergänzen, seinen Bau zeigen und auch die Beobachtung von Sonnenauf- und -untergang zur Sommer- und zur Wintersonnenwende ermöglichen.

Plan mit den Maßen und der Anordnung der Steine (Bild: LWL/T. Malter)

Okay, ich gebe es zu: Der Steinkreis ist zwar nicht das echte Stonehenge und nicht einmal wirklich aus Stein… aber es ist trotzdem ganz schön cool. Kommen Sie vorbei und überzeugen Sie sich selbst, ab dem 23. September im LWL-Museum für Archäologie in Herne.

Hier geht es zur Homepage der Sonderausstellung