Ab dem 23. September bringt das LWL-Museum für Archäologie Stonehenge nach Herne. Dank der zehn Meter hohen Ausstellungshalle entsteht am Europaplatz in Herne die europaweit erste Rekonstruktion des berühmten englischen Steinkreises in Originalgröße. Unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Rind decken Archäolog:innen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in der neuen Sonderausstellung bisher unbekannte Parallelen zu westfälischen Kulturlandschaften mit Megalithgräbern und Grabenwerken auf.
Carolin Steimer: Für die, die Stonehenge noch nicht kennen: Welche Bedeutung hat der englische Steinkreis?
Michael Rind: Stonehenge ist für die Prähistorie Europas von allergrößter Bedeutung. Es ist ein Monument, das in dieser Form nur ein einziges Mal existiert. Es gibt natürlich weitere Beispiele für Steinkreise auf den britischen Inseln, aber keiner dieser Kreise ist so gebaut wie Stonehenge, keiner hat eine so lange Geschichte, keiner kann verbunden werden mit der Entstehung einer rituellen Landschaft über Jahrhunderte hinweg.
Carolin Steimer: Was heißt „rituelle Landschaft“?
Michael Rind: Die rituelle Landschaft ist der Kern unserer Ausstellung. Wir wollen nicht Stonehenge als zentrales Monument allein präsentieren, sondern es geht darum zu zeigen, wie eine ganze Kulturlandschaft sich entwickelt und wie Stonehenge als Höhepunkt dieser Entwicklung gebaut und immer wieder auch umgebaut worden ist.
Letztlich wollen wir zeigen, dass der Mensch schon lange vor der Industrialisierung Landschaft entscheidend verändert und geprägt hat. Wie das aussah, in einer Zeit, als es noch keine schriftlichen Überlieferungen gab, davon legt die Archäologie Zeugnis ab.
Rituell ist diese Landschaft deshalb, weil sie vor allem von religiös motivierten Handlungen geprägt war. Ähnliche Zeugnisse einer tausende Jahre alten Kulturlandschaft finden sich auch bei uns in Westfalen.
Carolin Steimer: Wie kam es zu einer Sonderausstellung zu Stonehenge im Westfälischen Landesmuseum für Archäologie?
Michael Rind: Auch in Westfalen werden, wie in der Landschaft von Stonehenge, Monumente errichtet, die die Landschaft dauerhaft markieren und Erinnerungsorte schaffen. In Westfalen wurden Megalithgräber schon 3500 v.Chr. – also 1.000 Jahre vor Stonehenge – aus großen Steinen errichtet. Beide gehören aber letztlich zum selben Phänomen des Bauens mit großen Steinen, das über weite Teile Europas, aber in unterschiedlicher regionaler Ausprägung, zu finden ist.
Parallelen gibt es auch bei der Errichtung von Graben- und Erdwerken, die in beiden Landschaften gleichzeitig auftreten. In Westfalen sehen sie ähnlich aus wie um Stonehenge. Da lassen sich direkte Parallelen zum englischen Monument ziehen, auch was Logistik und Arbeitsaufwand anbelangt. Außerdem hatten die Grabenwerke ähnliche Funktionen. Es wurden rituelle Feste gefeiert und Erinnerungs- bzw. Gedenkorte geschaffen, die jahrhundertelang genutzt worden sind.
Ein großer Unterschied ist aber, dass sich in Stonehenge die Steinzeitarchitektur bis heute ganz offen in der Landschaft zeigt. In Westfalen muss man schon genauer hinschauen: Hier verstecken sich die Reste der prähistorischen Anlagen im Boden, sind oft nur noch als Verfärbungen zu identifizieren. Oder sie sind größtenteils zerstört, wie viele Megalithgräber, deren Überreste man nur noch mühsam durch gezielte Ausgrabungen erforschen kann, so wie zum Beispiel in Erwitte-Schmerlecke im Kreis Soest.