Essen und Trinken mit einem besonderen Accessoire – ein Tafelschiff mit Nautilus-Gehäuse auf Rädern

04.11.2025 Praktikant:in

Das Tafelschiff aus der Sonderausstellung „Mahlzeit“: Wenn man es das erste Mal sieht, denkt man nicht an ein Bankett oder daran, dass es sehr nützlich und bedeutend sein könnte. Es sieht einfach nur aus wie ein prunkvolles Dekorationsstück (Abb.1). Dabei ist es so viel mehr als das und manche Verzierungen sind nicht nur Verzierung.

Abb. 1: Tafelschiff mit Nautilus-Gehäuse auf Rädern in der Sonderausstellung im LWL-Museum für Archäologie und Kultur (Foto: Johanna Sodomann)

Das Stück besteht aus einem Schiff und einem Gehäuse eines Nautilus (zum Beispiel verwandt mit Kalmaren oder Kraken). Es wird auch Perlboot genannt, weil es nach dem Tod an der Wasseroberfläche schwimmt. Das passt natürlich schon einmal sehr gut zusammen. Aber es steckt noch mehr dahinter.

Ein Schiff zum Schutz

Tafelschiffe, wegen der Schiffsart auch „Nef“ genannt, gibt es seit dem Mittelalter. Das aber vor allem ohne Nautilus-Gehäuse. Sie wurden als erstes als Trinkgefäße für zum Beispiel Wein genutzt. Im 13. Jahrhundert entwickelten sich die Nefs dann zu Herrschaftssymbolen. Sie gaben den Platz des Herrschers an, denn es gab eine Rangordnung am Tisch: Der Ranghöchste saß am Kopfende oder an der besten Position. Es war alles genau geplant und geordnet, denn Festmähler waren eine Kunst, ein Spektakel. Dazu passt auch ein fahrendes Schiff auf dem Tisch. Auf der Seite der deutschen digitalen Bibliothek ist es sogar als Trinkspiel einsortiert. Generell war ein Festmahl zur Demonstration und Verfestigung sozialer Positionen da. Die Tafelschiffe galten als Symbol für Machtansprüche von Herrschaftsdynastien. In den Nefs waren auch häufig Salz oder Gewürze zu finden. Manchmal auch Besteck und sogar Giftproben, also etwas, das zeigt oder beweist, ob das Essen vergiftet ist. Das konnte auch auf den Status der Person, die es benutzte, hindeuten. Denn lange Zeit wurde mit den Händen und Löffeln gegessen, vor allem in niedrigeren Ständen. Erst im 17. Jahrhundert setzte sich beim Adel die Gabel durch. Außerdem wurden manchmal Menschen vergiftet, zum Beispiel mit Arsen, dass man leicht in das Essen mischen kann. Menschen, die viel Vermögen und Macht hatten, mussten damit natürlich häufiger rechnen. Um zu testen, ob das Essen vergiftet war, gab es die Giftproben, wie zum Beispiel ein Bezoar (harter Klumpen unverdaulichen Materials aus Tiermägen) in den Tafelschiffen. Dass das Besteck in den Nefs verstaut war, diente ebenfalls zur Sicherheit.

Der Nautilus: eine unscheinbare Schönheit

Der Nautilus ist ein Kopffüßer und lebt im pazifischen und indischen Ozean. Allerdings ist diese Art heutzutage gefährdet. Denn sie wurden wegen ihres schönen Gehäuses, aus dem viele Prunkstücke hergestellt wurden, gejagt und ab dem 15. Jahrhundert nach Europa importiert. Dabei hat das Gehäuse in der Natur gar nicht die Perlmuttfarbe. Die Nautilusse sind eigentlich braun gestreift (Abb. 2). Um die Perlmuttschicht freizulegen, muss die Muschel geschliffen und geätzt werden (Abb.3).

Abb. 2: Ein natürlich gestreiftes Nautilus-Gehäuse (Foto: Sérgio Valle Duarte, Wikimedia Commons)

Manchmal wurden die Muscheln bei königlichen Banketten als Trinkgefäße verwendet, wie die Tafelschiffe. Also haben Tafelschiffe und Nautilus-Muscheln schon zwei Gemeinsamkeiten, nämlich das Meer und die Verwendung als Trinkgefäß und passen so auch gut zusammen.

Abb. 3: Ein perlmuttfarbenes Nautilus-Gehäuse (Foto: Peter van der Sluijs, Wikimedia Commons)

Denn häufig sieht man Nautilus-Muscheln von maritimen Mythen inspiriert verziert. Sogenannte „Nautilus-Pokale“ waren viel mit Gold verziert und wurden meistens in den Niederlanden hergestellt. Zu der Zeit entwickelte sich auch ein niederländisches Subgenre in der Kunst: das Prunkstillleben, wobei die Pokale ein beliebtes Motiv waren.

Beschreibung und Kontext

Das Tafelschiff mit Nautilus-Gehäuse auf Rädern ist 40,1 cm hoch, 20 cm breit und 13 cm tief. Außerdem ist es 1.116 g schwer. Das Material, aus dem das Nef hergestellt ist, ist Silber und vergoldet. Der Schiffskörper ist ein Nautilus-Gehäuse, welches geschliffen wurde, um die Perlmuttschicht freizulegen. Um das Gehäuse herum sind vier Ornamentstränge mit weiblichen Hermen gelegt (Abb.6). Das ist normalerweise eine Skulptur mit dem Kopf einer Frau oben auf einer Säule. In diesem Fall ist es keine Skulptur, sondern ein Ornamentstrang. Auf der Muschel befindet sich das Deck des Einmasters, welches eine ovale, abnehmbare Platte ist. Am Bug steht ein Trompeter, der von zwei Männern mit Gewehren und einem Soldaten mit Lanze flankiert wird (Abb.4). Am Heck sitzt eine bärtige Person auf einem Thron (Abb.5). Sie hält eine Art Zepter in der Hand und ist deutlich größer als die anderen Figuren[HT1] . Dadurch wirkt sie sehr dominant. An den Seiten steht je ein Wächter. Oben auf dem Mast sitzt ein Kranich (Abb.7). In seiner rechten Kralle hält er einen Stein. Das Schiff und das Segel sind mit Tieren und Pflanzen verziert. Die Räder unten an dem Nautilus-Gehäuse sind dazu da, um das Schiff bei Banketten leichter verschieben zu können.

Da dieses Tafelschiff zwischen 1603 und 1609 in Nürnberg hergestellt wurde, könnten die vier Räder von dem Schembartlaufen inspiriert sein, einer Tradition in Nürnberg zu Karneval, bei der auf einem Umzug auch Narrenschiffe auf Rädern mitgefahren sind. Gefertigt wurde es von Hans Anthoni Lind (auch Hans Antoni Linden), einem Goldschmied. Erwähnt wurde dieses Stück allerdings erstmals 1640 im Inventar der Kunstkammer in Dresden und kam von dort 1724 in das Grüne Gewölbe. Jetzt hat es die Inventarnummer III 149. Für die Sonderausstellung wurde das Tafelschiff dem LWL-Museum für Archäologie und Kultur geliehen.

  • Abb. 4: Die Soldaten mit dem Trompeter am Bug (Foto: Johanna Sodomann)

  • Abb.5: Der Mann auf dem Thron (Foto: Johanna Sodomann)

  • Abb.6: Die weibliche Herme (Foto: Johanna Sodomann)

Ein Kranich mit großer Bedeutung

Der Kranich auf dem Mast sitzt nicht einfach nur zur Verzierung dort (Abb.7). Er hat eine wichtige Bedeutung. In der griechischen Mythologie ist er das Symbol für Wachsamkeit, Klugheit und wurde auch „Vogel des Glücks“ genannt. In der Wappenkunde steht der Kranich für Vorsicht. Diese Bedeutung wird noch einmal dadurch verstärkt, dass es häufig Giftproben in den Schiffen gab. Die Adeligen waren wachsam, klug und vorsichtig genug, um zu testen, ob das Essen vergiftet worden war. 

Zusätzlich wurde der Kranich in der griechischen Mythologie dem Götterboten Hermes zugeordnet. Weibliche Hermen sind auch an dem Nautilus-Gehäuse des Nefs zu finden.

Ob das alles Zufall ist oder mit Absicht so gestaltet wurde, weiß man natürlich nie so genau. Aber zumindest glaubten die Menschen früher eher an Symbolkraft als heute, wie man zu Beispiel am Kranich auf dem Schiff erkennt, der für Wachsamkeit steht. Das Schiff war auch zum Schutz vor einer Vergiftung, man war also wachsam und der Kranich hat das verstärkt.

Abb. 7: Der Kranich auf dem Mast des Nefs (Foto: Johanna Sodomann)
Abb. 8: Burghley-Nef, Tafelschiff mit Nautilus-Muschel, aber ohne Räder (Foto: Wikimedia Commons)

Nicht ganz einzigartig, aber sehr besonders

Die Tafelschiffe mit Nautilus-Gehäuse sind sehr selten und da die Muschel sehr empfindlich ist, sind sie außerdem schwer zu erhalten. Daher sind sie etwas ganz Besonderes und sehen natürlich auch sehr schön aus. Es gibt noch ein anderes sehr bekanntes Tafelschiff mit Nautilus-Gehäuse: Das „Burghley-Nef“ von 1527 aus Paris (Abb. 8). Dieses Schiff steht allerdings nicht auf Rädern. Es gibt also auch andere ähnliche Nefs dieser Art.

Die Tafelschiffe sind auch besonders, weil sie den Platz des Herrschers anzeigen. Da auf dem Tafelschiff mit Rädern sogar eine dominantwirkende Person sitzt, zeigt es das noch deutlicher.

Deswegen fasziniert mich dieses Tafelschiff, weil es ein prunkvolles Schmuckstück ist und gleichzeitig ein Nutzgegenstand, der für vieles steht. Es steht sogar für Spaß und Ernst gleichzeitig durch die Rolle beim Bankett, dadurch, dass man es herumschieben kann und durch den Schutz vor Vergiftungen. Zusätzlich können die kleinen Verzierungen, wie der Kranich, sehr bedeutungsvoll sein und die Geschichte dazu ist auch interessant. Es passt alles zusammen.

Johanna Sodomann, Praktikantin


Literaturverzeichnis

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Ohne Autor, Tafelschiff mit Nautilusgehäuse auf Rädern,

https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/219469 (29.10.2025)

Ohne Autor, Hans Antoni Linden, https://stadtarchiv.heilbronn.de/stadtgeschichte/geschichte-a-z/l/linden-hans-antoni.html (29.10.2025)

Ohne Autor, Kranich,

https://www.lbv.de/ratgeber/naturwissen/artenportraits/detail/kranich/#:~:text=In%20der%20griechischen%20Mythologie%20war,Vorsicht%20und%20der%20schlaflosen%20Wachsamkeit. (29.10.2025)

Hendrik Pahl, Höfische Tischsitten: Regeln mittelalterlicher Festmähler (14.01.2025), https://www.battlemerchant.com/blog/hoefische-tischsitten-regeln-mittelalterlicher-festmaehler (29.10.2025)

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Harald Wiederschein, Der Siegeszug des Erbschaftspulvers (11.02.2013), https://www.focus.de/wissen/mensch/forensik/die-zehn-spektakulaersten-giftmorde-aller-zeiten-von-der-antike-bis-heute_id_2430248.html (29.10.2025)

Ohne Autor, Traumschiffe der Renaissance im Bayerischen Nationalmuseum (30.04.2024), https://www.kulturstiftung.de/traumschiffe-der-renaissance-im-bayerischen-nationalmuseum/ (29.10.2025)

Bettina Vaupel, Wie bei Hof getafelt wurde: Zuckerschloss und Scherzpastete (Dezember 2015), https://www.monumente-online.de/de/ausgaben/2015/6/Kulturgeschichte-Festliches-Tafeln.php (29.10.2025)

Ohne Autor, Tafelschiff mit Nautilus-Gehäuse auf Rädern,

https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/V47XHJ25MSSQOKNWPN2L4BZFIT334TYV?query=tafelschiff&isThumbnailFiltered=true&rows=20&offset=0&viewType=list&hitNumber=01 (29.10.2025)

Ohne Autor, Auf den Spuren von Jules Verne… (16.03.2012), https://www.haus-des-meeres.at/news/151#:~:text=Aber%20eigentlich%20ist%20ein%20Nautilus,wie%20z.B.%20Kalmare%20und%20Kraken. (29.10.2025)

Ohne Autor, 14 Hermenpfeiler- Weibliche Herme, https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/EFM5LSOPKSKIV7X4OPAPBEH4LCDG5JRT (29.10.2025)

 

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Johanna Sodomann

Abb. 2:  Sérgio Valle Duarte, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?search=nautilus&title=Special%3AMediaSearch&type=image (29.10.2025)

Abb. 3: Peter van der Sluijs, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?search=nautilus&title=Special%3AMediaSearch&type=image (29.10.2025)

Abb. 4: Johanna Sodomann

Abb. 5: Johanna Sodomann

Abb. 6: Johanna Sodomann

Abb. 7: Johanna Sodomann

Abb. 8: Ohne Autor, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?search=burghley+nef&title=Special%3AMediaSearch&type=image (29.10.2025)