Geld spricht und sagt oft mehr als Worte – Der Schatz von Dorsten-Holsterhausen

12.09.2025 Praktikant:in

Abb. 1 Die Münzen des Hortfundes (Bildautor: LWL/Stefan Brentführer)

Zwischen einem Mühlstein, Glasfragmenten und Fibeln befindet sich im Bereich „Über den Rhein. Kontakt mit der Weltmacht Rom“ in einer länglichen Vitrine ein kleiner Schatz bestehend aus 36 sogenannten Denaren, römischen Münzen aus Silber. Fesselnder als die Schönheit dieser Objekte sind jedoch die Geschichten, die sich um diesen Schatz ranken, sowohl die individuellen als auch die, die das Schicksal des gesamten Römischen Reiches thematisiert.

Mehr als ein Mittel zum Zweck – Die Bedeutung von Geld im Römischen Reich

Für die Römer repräsentierte Geld mehr als nur ein ästhetisches Zahlungsmittel: Es zählte zu den wichtigsten Kommunikationsmitteln und war aufgrund des weiten Umlaufs der Münzen in der Lage, seine Nachrichten in die entlegensten Provinzen zu tragen.

Die Vorderseite, auch Avers genannt, zeigt stets das Porträt des Prägeherrn, wodurch die Münze als legitimiertes Zahlungsmittel gekennzeichnet wird. Die Rückseite, auch als Revers bezeichnet, präsentiert eine Vielzahl unterschiedlicher Motive. Viele Darstellungen dienten der Repräsentation und Selbstdarstellung des Kaisers, aber auch innen- und außenpolitische Ereignisse erfreuten sich großer Beliebtheit. Da die Darstellungen zumeist ausschließlich positive Aspekte und somit vorteilhafte Informationen über den Kaiser wiedergaben, werden Münzen von einigen Forschern auch als Instrument der Propaganda betrachtet. Ob die Bevölkerung die Nachrichten jedoch auch wahrgenommen hat, bleibt offen. Die Motive und Umschriften wiesen eine hohe Fluktuationsrate auf und waren in der Regel von geringer Größe, was die Lesbarkeit beeinträchtigte. Des Weiteren war die Quote an Analphabeten sehr hoch ebenso wie die kulturelle Diversität innerhalb des Römischen Reiches, was das Verständnis der Bildmotive erschwerte.

Archäologen und Historiker betrachten Münzen als ein interessantes Forschungsfeld. Sie sind in großer Stückzahl vorhanden und ermöglichen es, aufgrund der Umschrift die abgebildete Person zu identifizieren. Des Weiteren ist es möglich, dass die Münzen Aufschluss über die wirtschaftliche Lage im Römischen Reich zum Zeitpunkt ihrer Prägung geben: Beispielsweise kann die signifikante Reduzierung des Silbergehaltes in einem Denar als Hinweis für eine Inflation und eine damit einhergehende Schwäche der Wirtschaft betrachtet werden.

Abb. 2 Eine Auswahl der im Museum ausgestellten Münzen. Die untere Reihe zeigt die Münzen des sogenannten Gaius-Lucius-Typus (Bildautor: LWL/Stefan Brentführer)

Ein Tresor aus Erde

Am 12. April 2001 wurden die 36 Münzen in einem Graben eines ehemaligen römischen Marschlager entdeckt. Falls sich die Münzen in seinem Behältnis befunden haben, ist dieses nicht mehr vorhanden. Eine solche Ansammlung wird in der Forschung als Hortfund bezeichnet: Ein Hortfund, auch Depotfund genannt, bezeichnet mehrere zusammenhängende Funde, die absichtlich in der Erde deponiert wurden, zumeist mit der Intention, sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu bergen. Davon ausgenommen sind Grabbeigaben oder Abfallprodukte. Der Hortfund von Dorsten-Holsterhausen lässt darauf schließen, dass es sich um den Monatssold eines Legionärs handelt, der seinen Lohn zur Sicherheit vergrub, um ihn später wieder abzuholen.

Die ältesten Münzen können dem Jahr 109 v. Chr. zugeordnet werden, während ein großer Anteil von insgesamt 20 Stück den Jahren 2 – 1 v. Chr. entstammt und demselben Typus zugeordnet werden kann. Die vorliegenden Denare des sogenannten Gaius-Lucius-Typus wurden auf Silber gefertigt. Der Durchmesser liegt zwischen 18,4 und 18,6 mm, das Gewicht beträgt zwischen 2,2 bis 3,6 Gramm. Die Prägung wurde in Lugdunum, dem heutigen Lyon in Frankreich, vorgenommen.

Abb. 3 Das lorbeerbekränztes Portrait des Augustus auf der Vorderseite der Münze (Bildautor: LWL/Cornelia Moors)

Auf dem Avers ist das nach rechts gewandte, lorbeerbekränzte Portrait des Augustus zu sehen. Die Umschrift verläuft gegen den Uhrzeigersinn und lautet CAESAR AVGVSTVS DIVI F(ILIUS) PATER PATRIAE, was so viel wie „Caesar Augustus, Sohn des Vergöttlichten, Vater des Vaterlands“ bedeutet. Das Motiv wird von einem Perlkreis umgeben.

Abb. 4 Die Caesaren Gaius und Lucius auf der Rückseite der Münze. Aufgrund eines Prägefehlers ist das Motiv unten abgeschnitten, kann aber mit vergleichbaren Münzen rekonstruiert werden (Bildautor: LWL/Cornelia Moors)

Auf dem Revers der Münze sind zwei in eine Toga gekleidete Männer abgebildet, die auf einer Standlinie nebeneinanderstehen. Aufgrund eines Fehlers bei der Prägung ist der untere Teil des Motivs nicht vorhanden, kann aber mit vergleichbaren Münzen rekonstruiert werden. Die rechte bzw. linke Hand ruht jeweils auf einem Schild und auf einem Speer, die zwischen ihnen positioniert sind. Im Raum zwischen den Speeren befindet sich links ein simpulum, eine rituelle Schöpfkelle, und rechts ein lituus, ein ritueller Krummstab oder auch ein Blasinstrument. Je nach Münze können die beiden Objekte vertauscht sein. Die Umschrift C L CAESARES AVGVSTI F COS DESIG PRINC IVVENT verläuft gegen den Uhrzeigersinn und bedeutet „Gaius und Lucius Caesar, Söhne des Augustus, designierte Konsule, jugendliche Anführer“. Ein Perlkreis umgibt die beiden.

Abb. 5 Die Abbildung der Rückseite auf der gleichen Münze, hier aus dem Münzkabinett der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (Bildautor: Johannes Gutenberg-Universität/Lukas Hafner)

Söhne oder Enkel? – Die verwirrende Familiengeschichte des Augustus

Dank der Umschrift kann man die beiden Männer auf dem Revers als Gaius und Lucius Caesar identifizieren, die hier als Söhne des Augustus bezeichnet werden. Hier kommt jedoch ein Problem auf: Augustus hatte keine leiblichen Söhne. Um dies zu erklären, muss man einen Blick auf seine Familiengeschichte werfen.

So erfolgreich Kaiser Augustus auch in seinen Regierungsgeschäften war, sein Familienleben verlief alles andere als geplant. Die Frage der Nachfolge stellte ihn vor eine Herausforderung, da keine seiner insgesamt drei Ehen den erhofften Nachfolger hervorbrachte. Sein einziges leibliches Kind war Iulia, die aufgrund ihres Geschlechts nicht für die Nachfolge infrage kam. Als Tochter des Kaisers wurde sie dennoch für die dynastischen Pläne ihres Vaters eingebunden und mehrmals mit Vertrauten und potenziellen Nachfolgern Augustus verheiratet. Im Rahmen ihrer Ehe mit Marcus Vipsanius Agrippa brachte sie zwei Söhne zur Welt, Gaius und Lucius. Augustus adoptierte seine beiden Enkel noch im Kleinkindalter und förderte sie gezielt zu seinen Nachfolgern. Im Jahr 2 v. Chr. erfolgte ihre Erhebung zu Caesaren. Dies kann als der Anlass zur Prägung der Münzen betrachtet werden. Gaius und Lucius starben jedoch kurz nacheinander in den Jahren 2 n. Chr. bzw. 4. n. Chr.

Darüber hinaus hatte Augustus kein Glück mit seiner Familie. Als Verfechter traditioneller Werte schickte er seine Tochter sowie zwei seiner verbliebenen Enkelkinder, darunter auch seinen designierten Nachfolger Agrippa Postumus, unter dem Vorwand eines unsittlichen Lebensstils ins Exil. Aufgrund der Ermanglung männlicher Verwandter sah er sich gezwungen, seinen Stiefsohn Tiberius zum Nachfolger zu ernennen, den er zuvor adoptiert hat.

Westfalen als Zwischenstopp der Römer

Holsterhausen zeichnete sich in römischer Zeit durch seine strategisch günstige Lage aus. Es befand sich an einem Verkehrsknotenpunkt und war sowohl über den Land- als auch über den Wasserweg von Xanten aus gut erreichbar. Der Platz bot zwar ausreichend Platz, um eine Legion für mehrere Wochen zu beherbergen, jedoch war er nicht als dauerhaftes Lager gedacht.

Zum Zeitpunkt der Ankunft der Römer war das Gebiet durch die ansässige Bevölkerung bereits landwirtschaftlich erschlossen und dementsprechend nicht beforstet. Die ersten Spuren menschlicher Besiedlung in diesem Gebiet lassen sich bis in das Neolithikum zurückverfolgen. Aufgrund zahlreicher menschlicher Einflüsse, die unter anderem während der Industrialisierung geschehen sind, ist eine präzise Kontextualisierung jedoch nicht mehr möglich. So wurden 1927 die ersten Funde der römischen Marschlager eher zufällig entdeckt. Die ersten archäologischen Ausgrabungen wurden 1952 durchgeführt, woraufhin in den folgenden Jahrzehnten kleine Untersuchungen stattfanden. Im Jahr 1981 erfolgte schließlich die erstmalige Identifizierung des Areals als römischer Lagerplatz. Es besteht die Annahme, dass mindestens sechs Lager dort errichtet wurden. Die letzte Grabungskampagne wurde 1999 gestartet und 2006 abgeschlossen.

Wer auch immer das Geld vergraben hat – vielleicht ein Legionär – er kehrte nicht zurück. Er starb vermutlich während eines Feldzugs im Inneren von Germanien.

 

Esther Brüning, Studentische Praktikantin


Quellen und Literatur

Suetonius, Lives of the Caesars Vol. 1. Julius, Augustus. Tiberius. Gaius Caligula, übers. von J. C. Rolfe, Loeb Classical Library 21 (Cambridge 1914).

W. Epel-Zepezauer, Römerlager in Westfalen 2. Holsterhausen, Stadt Dorsten, Kreis Recklinghausenn (Münster 2014).

P. Ilisch, Die Münzen aus Holsterhauseen, in: W. Epel-Zeperzauer (Hrsg.), Augusteische Marschlager und Siedlungen des 1. bis 9. Jahrhunderts in Dorsten-Holsterhausen. Die Ausgrabungen 1999 – 2002, BAW 47, 2009, 127–149.

A. Pangerl, Propaganda auf Römischer Reichsprägung – politischer Ereignisse und das Bild der Kaiserlichen Dynastie, Antike Welt, 2012.

P. Wolters, Die Geschwindigkeit der Zeit und die Gefahr der Bilder, in: G. Weber – M. Zimmermann (Hrsg.), Propaganda – Selbstdarstellung – Repräsentation im römischen Reich des 1. Jh. n. Chr., Historia 164, 2003, 175–204.

 

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 LWL-Archäologie für Westfalen, Münster/Stefan Brentführer

Abb. 2 LWL-Archäologie für Westfalen, Münster/Stefan Brentführer

Abb. 3 Foto: LWL-Museum für Archäologie, Herne/Cornelia Moors

Abb. 4 Foto: LWL-Museum für Archäologie, Herne/Cornelia Moors

Abb. 5 Foto: Mainz, Historisches Seminar, Arbeitsbereich Alte Geschichte, der Johannes Gutenberg-Universität, ID453/Lucas Hafner (https://numid.uni-mainz.de/object?lang=de&id=ID453&view=rs) (04.09.2025).