Mein Lieblingsobjekt: Urkunde Kaiser Konrads II. für das Kloster Abdinghof

07.09.2018

Die Urkunde in der Ausstellung (Bild: Michael Lagers)

Neben vielen anderen Stücken aus der Welt der „Irrtümer und Fälschungen“ finden sich in der aktuellen Sonderausstellung gleich mehrere mittelalterliche Urkunden, die trotz oder vielleicht sogar gerade wegen der Tatsache, dass es sich um Fälschungen handelt, von ungeheurem Quellenwert sind. Die Dokumente stammen aus dem Kloster Abdinghof in Paderborn und wurden auf das 11. Jahrhundert datiert, sind jedoch – wie man heute weiß – auf die Zeit nach 1142 zurückzuführen.

Der Ausstellungsraum

In der Sonderausstellung „Irrtümer und Fälschungen“ beschäftigte sich ein Raum nur mit dem Thema Urkundenfälschung. Dort ist eine pergamentene Urkunde das erste, was zu sehen ist. Angeblich erstellte Kaiser Konrad II. sie am 16. Januar 1032 für das Kloster Abdinghof. Geradezu gigantisch scheint sie demjenigen, der an heutige Formate gewöhnt ist, und befremdlich wirkt auch die lateinische Sprache und verschnörkelte Schrift, sowie das Herrschermonogramm und das Wachssiegel. Sie liegt geschützt vor schädlichen Einflüssen in einem Glaskasten und wird gerade so weit beleuchtet, dass man sie lesen kann. Ansonsten aber ist das Licht gedämmt, die Wände sind dunkel. Eine kreisrunde Projektion zeigt eine Hand, wie sie die Handschrift nachahmt. Aus einem Lautsprecher dringt das kratzende Geräusch einer Feder auf Papier. Dieses Zusammenspiel erschafft eine ernsthafte, doch auch spannungsgeladene Atmosphäre und dem Besucher wird das Gefühl vermittelt, in einen Kriminalfall geraten zu sein. Ebenfalls können weitere Urkunden, ein Siegelstempel, und ein Bild des Klosters betrachtet werden. Mithilfe von Erläuterungen zu jedem Ausstellungsstück und Informationen zu den handelnden Personen – sowohl zu dem möglichen Fälscher, als auch zu denen, die ihm auf die Schliche kamen – gelingt es dem Aufmerksamen, den Fall „Abdinghof“ nachzuvollziehen.

Blick in die Ausstellung (Bild: Michael Lagers)

Erste Zweifel

In dem Dokument, das vermeintlich Kaiser Konrad II. hat ausstellen lassen, werden dem Kloster verschiedene Schenkungen bestätigt, die Immunität Abdinghofs wird bekräftigt und es wird das Recht auf eine freie Vogtwahl verliehen. Besonders der letzte Punkt weckte jedoch Jahrhunderte später Zweifel an der Echtheit der Urkunde. Nachdem solche erstmals 1865 von dem österreichischen Historiker Karl-Friedrich Stumpf-Brentano geäußert wurden, griff sie etwa 10 Jahre später der Archivar Roger Wilmans auf. Er misstraue vor allem dem Privileg auf eine freie Vogtwahl, die seiner Meinung nach einer maßlosen Überhebung gleichgekommen sein müsste. Des Weiteren verdächtigte er noch andere Schriften aus dem Kloster, Fälschungen zu sein.

Wege der Aufdeckung

Allerdings stellte sich kurz darauf heraus, dass die niedergeschriebenen Privilegien und Rechte wahrscheinlich tatsächlich so oder in ähnlicher Form im 11. Jahrhundert bei dem Kloster Abdinghof lagen. Das soll jedoch nicht bedeuten, dass die Urkunde wirklich von Kaiser Konrad II. aufgesetzt worden wäre. Der Inhalt mag vielleicht der Realität entsprochen haben, an der Form erkannte die Forschung aber die Fälschung: Zuerst einmal ist das Wachssiegel recht unscharf, sodass es sich dabei vermutlich um das Produkt eines Abgusses von einem echten Siegelstempel handelt. Des Weiteren hat der Fälscher zwar die im 11. Jahrhundert für Urkunden typische Schrift littera elongatae am Anfang und am Ende des Textes nachgeahmt, jedoch verwendete er im Hauptteil eine modernere, im 12. Jahrhundert verbreitete Schriftart. Auch das Format passt nicht. Während Kaiserdiplome des 11. Jahrhunderts üblicherweise im Querformat beschrieben wurden, ist das hier nicht der Fall. Zu guter Letzt finden sich in dem Kaiserdiplom und weiteren Abdinghofer Urkunden etliche Übereinstimmungen in der Handschrift, den gebrauchten Formulierungen und dem allgemeinen Stil mit der Vita Meinwerci, die Biographie des Klosterstifters. Es scheint also, als wäre der Autor dieser Vita auch der Fälscher der Abdinghofer Urkunden. Dieser könnte für seine Fälschungen ältere Vorlagen, etwa in Form von echten Urkunden aus dem 11. Jahrhundert verwendet haben, deren sprachliche Besonderheiten übernommen wurden.

Kloster Abdinghof in Paderborn (Bild: LWL-Museum für Archäologie)

Die Gründe und die Person des Fälschers

Wenn die Rechte und Privilegien nun aber bereits bestanden, wieso schien es dem Fälscher dann plötzlich notwendig, sie schriftlich festzuhalten? Hierfür gibt es mehrere Gründe: Erstens war die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts eine Umbruchsphase. Zuvor reichte es aus, dass ein Rechtsakt bezeugt wurde, um Gültigkeit zu erlangen. Dazu wurden zwar häufig Aufzeichnungen oder „Traditionsnotizen“ angefertigt, in denen etwa der betreffende Besitz und die Namen der Zeugen niedergeschrieben wurden, diese blieben dann aber zumeist unbesiegelt und verloren mit dem Ableben der Zeugen weitgehend an Bedeutung und boten somit im 12. Jahrhundert keine Sicherheit mehr (Honselmann, 351). Allein die nun aufkommenden Siegelurkunden besaßen Beweiskraft und wurden somit existenziell, um sich rechtlich abzusichern. In der Abdinghofer Schreibstube erschuf man also – mit den Worten Prof. Dr. Theo Kölzers – „kein neues Recht, sondern neue Beweise für altes Recht“ (Vortrag Kölzer). Zweitens wurde das Kloster, wie auch andere in dieser Region, von politischen Unruhen bedroht, was eine schriftliche besiegelte Festsetzung umso wichtiger werden ließ. Drittens kam es unter anderem in den Jahren 1152 und 1165 zu Bränden in Abdinghof, bei denen eventuell vorhandene Dokumente verloren gegangen sein könnten.

Zusammenfassend war das Ziel des Fälschers wahrscheinlich, existierenden Besitz und Privilegien vor dem Verlust zu schützen und dauerhaft zu sichern. Da die Urkundenfälschungen in die Amtszeit des Abtes Konrad (1142-1173) fallen, muss er als Vorsteher des Klosters den Fälscher zumindest gekannt und über sein Tun Bescheid gewusst haben. Er war derjenige, welcher Papier und Schreibutensilien verwaltete, und ohne sein Wissen wäre ein Projekt dieses Umfanges wohl nicht möglich gewesen. Wahrscheinlich ist, dass es sich bei ihm sogar selbst um den Fälscher und damit auch um den Autor der Vita Meinwerci handelt.

Heute stehen etwa 23% der bis zur Mitte der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts in dem Bistum Paderborn entstandenen und noch vorhandenen Urkunden unter Fälschungsverdacht, die meisten davon aus dem Kloster Abdinghof.

 

Jenny Sure, Praktikantin

Literatur:

Butt, Arne: Kat. 11.5 Urkunde Kaiser Konrads II. für das Kloster Abdinghof (Fälschung), in: Esch, Tobias; Mühlenbrock, Josef (Hg.) Irrtümer & Fälschungen der Archäologie. Begleitband zur Sonderausstellung, Mainz am Rhein 2018, S. 297.

Honselmann, Klemes: Die sogenannten Abdinghofer Fälschungen. Echte Traditionsnotizen in der Aufmachung von Siegelurkunden, in: Westfälische Zeitschrift – Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde 100 (1950), S. 292-356.

Lagers, Michael: Tatort Schreibstube. Der Fälschungsfall Schreibstube, in: Esch, Tobias; Mühlenbrock, Josef (Hg.) Irrtümer & Fälschungen der Archäologie. Begleitband zur Sonderausstellung, Mainz am Rhein 2018, S.148-155.

Lagers, Michael: Kat. 11.1 Gründungsurkunde für das Kloster Abdinghof, in: Esch, Tobias; Mühlenbrock, Josef (Hg.) Irrtümer & Fälschungen der Archäologie. Begleitband zur Sonderausstellung, Mainz am Rhein 2018, S. 291-292.

Kölzer, Theo: Urkundenfälschungen im Mittelalter, öffentlicher Vortrag im LWL-Museum für Archäologie Herne Donnerstag, 16. August 2018.