Hier ein kleiner „Rundgang“ durch die Mannheimer Ausstellung: Die Schädelkult-Ausstellung beginnt mit einem primär medizinisch-anatomischen Überblick. Spannend ist in dieser Ausstellungsabteilung eine imposante 22-schrittige Entwicklungsreihe vom 13-wöchigen Fötus bis zum Erwachsenen.
Dann taucht man tief in die Vorgeschichte ein, denn es geht mit Exponaten aus der Steinzeit weiter. Diese sind sehr beeindruckend, da sie teilweise Spuren von Trepanationen haben, also von Schädelöffnungen, die sogar wieder verheilt sind. Dies zeigt das komplexe Know-How unserer Vorfahren, die sich augenscheinlich auf Kopfoperationen und anspruchsvolle medizinische Versorgung verstanden. Das passt nun gar nicht zu der landläufigen Vorstellung „der Wilden, die Höhlen hausten“ und hat mein Bild von unseren steinzeitlichen Vorfahren komplett verändert.
Auf einem Zeitstrahl führt die Ausstellung weiter zum Schädelkult der Antike. Dies geschieht durch Exponate wie keltische „Trophäenschädel“, Schädeldarstellungen auf griechischen Vasenmalereien oder deformierte Schädel aus der eurasischen Steppe.
Hier deutet sich bereits die Bandbreite und Vielschichtigkeit der Ausstellung an. Neben den archäologischen Funden werden auch die regional verschiedenen Schädelkulte der Welt thematisiert. Man sieht Funde aus allen Teilen dieser Welt, seien es die Schrumpfköpfe aus Südamerika oder Objekte der Kopfjagd in West-Afrika, Borneo oder der Naga.
Diesen ethnologischen Aspekt der Ausstellung hatte ich im Vorhinein eigentlich gar nicht erwartet. Er erwies sich aber als überaus interessant, da sich so Kulttraditionen und Kultkontinuitäten zeigen wie das rituelle Schädelöffnen, das Benutzen von Schädelschalen als Opfertrank-Gefäße oder die sogenannten Schädelmasken. Die Vorstellung, mehr als 300 menschliche Schädel in einer Ausstellung zu sehen, erscheint auf den ersten Blick vielleicht dem Einen oder Anderen gruselig, beängstigend oder gar makaber. Mein Eindruck war allerdings: Die Ausstellung „Schädelkult“ ist dies alles absolut nicht. Alle gezeigten Exponate werden respekt- und pietätvoll gezeigt. Der Ausstellungsbesuch hat mich den Menschen – und vor allem natürlich seinen Kopf – mit ganz anderen Augen sehen lassen. Das ist etwas, was ich auf jeden Fall von der Ausstellung mitnehme: Die Erkenntnis, dass es nur wenige Dinge gibt, die die Menschheit über Zeit und Länder hinweg so eint wie die Verehrung des menschlichen Kopfes als Symbol für Individualität und Persönlichkeit. Und das gilt bis heute – und ist keineswegs nur Sache wilder Eingeborener oder „unterentwickelter“ Kulturen.
Wenn der „Schädelkult“ nach Herne kommt, bin ich auf jeden Fall noch einmal dabei. Wie ich jetzt weiß, wird diese Ausstellung ganz neu konzipiert…