Die Bohne, die das Bier schlug

29.06.2023 Praktikant:in

Der Aufstieg des Kaffees in Deutschland und der lange Weg zum Alltagsgetränk

Kaffeebohnen. Diese recht kleinen, braun bis schwarzen Böhnchen sind überall bekannt und der daraus entstehende Kaffee ist sowieso in aller Munde, aber warum wird ausgerechnet hier, in einem Blogbeitrag für ein Museum in Herne, über Kaffeebohnen geschrieben, was haben diese Bohnen mit der Schlacht um Wien zu tun und warum schmeckt die Plörre von der Tanke niemals? Mindestens zwei dieser Fragen werden folgend beantwortet werden.

Bevor ich ihnen Antworten geben kann muss ich einer Verpflichtung meines Praktikums nachkommen. Dies tue ich indem ich ihnen mitteile warum Kaffeebohnen dazu bewegt haben diesen Eintrag zu schreiben.

Dazu gibt es drei mögliche Antworten aus denen Sie als Leser:in gerne aussuchen können, welche der Realität entspricht (oder, wenn es sie nicht die Bohne interessiert, überspringen sie einfach diesen Teil).

  1.  Kaffeebohnen in einem Museum zu sehen hat mich überrascht. Eine Sache, die im Normalfall überall anders zu finden ist, hier zu sehen verspricht eine spannende Geschichte.
  2. Wenn die Kaffeemaschine nicht gerade spinnt dann kommen wir in der Regel problemlos dran. An diese Kaffeebohnen darf nicht jeder dran. Die Frage „Warum sind genau diese Kaffeebohnen nicht für alle zugänglich“ hat mich gereizt.
  3. Ich war müde und wollte nen Kaffee.
Darstellung der Belagerung von Wien. ©wiki commons

Der Kaffee vor Wien

Die wiederkehrenden Besucher:innen dieses Blogs wissen vermutlich jetzt schon, warum hier über Kaffeebohnen geschrieben wird. Der Grund dafür ist, dass diese Kaffeebohnen ein Exponat der Dauerausstellung des Museums sind. Diese Kaffeebohnen verstecken sich hinter einer Scheibe Glas. Neben dieser Scheibe steht ein kurzer Text mit der Überschrift „Die Türken vor Wien“.

Die im deutschen bekannte Aussage „Die Türken vor Wien“ bezieht sich sowohl auf die Belagerung Wiens 1529 als auch auf die zweite Belagerung 1683. Die Vorgeschichte beider Belagerungen ist das Expansionsstreben der osmanischen Regenten. Das osmanische Reich erstreckte sich von Jemen und Nordafrika, über Damaskus, Aleppo, und Anatolien über den gesamten Balkan bis ins heutige Ungarn. Die Furcht der mitteleuropäischen Adeligen vor einer osmanischen Expansion in deren Staaten war groß. Die Osmanischen Sultane sahen Wien als Tor zu den westlichen Ländern Europas an. Die Bereitschaft für Konflikt war gegeben.

1683 kam es dann zur Belagerung Wiens. Die osmanischen Truppen waren jedoch nicht erfolgreich und mussten fliehen. Zurück blieben dann neben den verschiedensten anderen Sachen auch einige Säcke voll Kaffee. Diese Säcke voll Kaffee waren der Beginn des österreichischen Kaffeekonsums. Der  Kaffeekonsum auf dem Gebiet des heutigen Deutschland begann bereits etwas zuvor.

Kaffee erobert Deutschland

Der Kaffee schaffte es über den Seeweg zuerst an die hanseatischen Städte, dann zunächst über Österreich in Süddeutschland und einige Jahre danach auch in die Ländereien in Mittel- und Ostdeutschland. Auf den Kaffee selber folgten rasch die ersten Kaffeehäuser in denen sich die Adeligen, von dem gemeinen Volk abgegrenzt, zum Kaffeegenuss treffen konnten. 1673 entstand das erste Kaffeehaus auf deutschem Boden in Bremen. Vier Jahre darauf folgte ein in Hamburg gegründetes Kaffeehaus. In Intervallen von 3 Jahren öffneten dann 1683 in Wien, 1686 in Nürnberg und Regensburg und schließlich 1689 in Frankfurt die ersten Kaffeehäuser. Das erste Kaffeehaus in Berlin eröffnete erst 1721 seine Türen für die adelige Kundschaft. Bis Kaffeehäuser Orte wurden, in welchen auch die bürgerliche oder gar die bäuerliche Bevölkerung einkehren durfte, dauerte es noch eine ganze Weile.

Der Kaffeekonsum, und somit auch der Besuch der Kaffeehäuser, war für einige Zeit strengst dem Adel vorbehalten.

Für die längste Zeit wurde der Konsum von Kaffee der bäuerlichen und bürgerlichen Bevölkerungsschichten in Deutschland, aus der Sicht der Adeligen, wie so manch andere Verhaltens- und Konsumweisen, als großer Schund empfunden. Die weit verbreiteten Bierbrauereien Deutschlands wurden vom Kaffeekonsum stark gefährdet. Es gab nun ein weiteres Getränk in Deutschland, welches ohne erhöhtes Krankheitsrisiko von allen Personen getrunken werden konnte. Dazu kam auch noch die beschwingende, statt beschwipsende, Wirkung des Kaffees gegenüber dem Alkohol. Die Handwerker, Feldarbeiter, Ärzte und Kaufmänner Deutschlands vollbrachten ihre Arbeit nun nicht mehr in einem angetrunkenen Zustand, der von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang und auch gerne danach noch anhielt, sondern in einem wachen, fokussiertem Zustand. Wie die einfachen Bürger:innen in den Städten und auf dem Land profitierten auch die Mönche und Nonnen in den deutschen Klöstern vom Kaffee. Diese besaßen nun die Möglichkeit, auch spät am Abend oder gar in der Nacht ihre Arbeiten zu verrichten. Der Kaffee wurde also ein sehr wertvoller Teil des Lebens, auch außerhalb der Häuser des Adels.

Der deutsche Adel konnte aber nicht damit leben, dass selbst die bäuerliche Bevölkerung sich, so wie sie selber, nach Kaffee sehnte und diesen auch erhielt. Der Adel verfolgte deshalb zwei zwar gegeneinander spielende, jedoch profitable Ziele.

Das eine Ziel des Adels war es die Begierde nach Kaffee auszunutzen indem die höchstmöglichen Steuern auf die Bevölkerung gelegt wurden und die royalen Schatzkammern somit gefüllt werden konnte. Das andere Ziel war es, den Kaffee zu verbieten, da beim Kauf eines Sacks Kaffees Geld ins Ausland floss und nun nicht mehr in der heimischen Kasse zu finden war. Ein weiterer Grund für das Kaffeeverbot war die Schließung einiger Brauereien.

Ein Sack Kaffeebohnen ©wiki commons

Illegaler Kaffee

Der Kaffeekonsum wurde also „begründet“ verboten. Dieses Verbot durfte sich natürlich nicht auf die Adeligen ausweiten, da diese ebenfalls den Wunsch hatten, Kaffee zu trinken. Deshalb wurde unter anderem auch einst die Regelung eingeführt, dass Kaffee nicht unter 50 Pfund auf einmal eingeführt werden durfte. Wer über 50 Pfund auf einmal kaufte, galt als Händler und konnte diesen Kaffee auch zum eigenem Zweck frei nutzen. Somit wurde ein Verbot auf die arme Bevölkerung erteilt und ein Freischein für die Reichen verteilt.

Die Bevölkerung konterte dies, indem Kaffee ganz einfach geschmuggelt wurde. Wer mit geschmuggeltem Kaffee gefasst wurde oder auch beim Trinken von Kaffee gesehen wurde, konnte sich auf bis zu 4 Jahre in einer Zuchtanstalt einstellen. Bis ins späte 18. Jahrhundert wurden sogar Kaffeefahnder eingesetzt. Die Aufgabe eines Kaffeefahnders bestand darin, durch die Straßen von Städten und Dörfer zu gehen und mit einer trainierten Nase nach Kaffee zu riechen. Wurde eine Person von solch einem Fahnder gefunden, konnten sehr schlechte Zeiten auf sie zukommen.

Mit ein wenig Zeit und einigen Aufständen konnte Kaffee auch von der einfachen Bevölkerung legal getrunken werden. Das Zerren zwischen der oberen Schicht und den unteren Schichten konnte beendet werde. Kaffee wurde fortan und glücklicherweise bis heute nie wieder für die Gesellschaft für illegal erklärt.

Zurück in die Gegenwart (und hoffentlich auch die Zukunft)

Diese ganzen Geschichten konnte ich nur erzählen, weil ich ein paar Kaffeebohnen in der Dauerausstellung gefunden hab aber woher genau kommen diese Kaffeebohnen und wie alt sind sie wirklich? Diese Fragen habe ich mir recht früh gestellt und viel Zeit investiert um die großen Geheimnisse der LWL-MAK Bohnen zu lüften. Stunden voller Recherche haben folgendes ergeben:

Die Bohnen wurden irgendwann 2003 in einem vermutlich lokalen Supermarkt gekauft. Die Marke und Art der Bohnen sind unbestimmt. Ebenso die Menge an Bohnen und auch die Anzahl der Bohnen sind in keinen Dokumenten im Museum wiederzufinden. Wer diese Bohnen in das Museum brachte, ist auch unbekannt. Diese Kaffeebohnen, die Bohnen gleicher Art welche den internationalen Handel bestimmt haben, die Konflikte zwischen Adel und dem Bauernstand wiedergegeben haben und das Bier in Deutschland von der Nummer Eins Position gestoßen haben, sind hier im Museum nicht gelistet. Diese Alltagsbohnen sind somit vermutlich die mysteriösesten Exponate des Hauses. Ein Objekt heutzutage so banal, dass es nicht einmal gelistet wird, erzählt eine lange Geschichte voller Verbote und Kämpfen gegen diese Verbote.

Vielleicht macht es Sinn, beim nächsten Kaffee im Büro oder zuhause drüber nachzudenken, was alles mit diesen Bohnen in Verbindung gebracht werden kann. Ich mach mir jetzt erstmal definitiv einen Kaffee.

 

Autor:in Ashley B.

Literatur

Gert v. Paczensky, Anna Dünebier – Kulturgeschichte des Essens und Trinkens S 501-517

Aiko Schmidt „„Von Lustgetränk zum Volksgetränk“ – Genußmittel“ in, Eten un Drinken

www.kaffeeverband.de/de/kaffeewissen/geschichte besucht am 29.06.2023 12:30