Römischer Götterbote in Beelen?

06.07.2023 Praktikant:in

Moin erstmal, mein Name ist Nick und im Rahmen meines Praktikums wurde ich dazu *räusper* ermuntert ;) über einem Museumsfund aus unserer Ausstellung zu schreiben, den römischen Merkur auf so gar nicht römischem Boden.

Wen das interessiert, hier etwas über mich und wie ich auf diesen Fund gekommen bin:

Die religiösen Vorstellungen der antiken Welt, insbesondere der Römer, haben mich schon als Kind fasziniert. Über kindgerechte Erzählungen der griechischen Sagen und Romane eines bekannten Halbgottes aus New York J bin ich bereits in jungen Jahren auf diese Thematik gestoßen. Klar fand ich zu Beginn nur wenig Interesse an den komplexen kulturellen Hintergründen und der antiken Geschichtsschreibung, aber das änderte sich schon bald. Mein Interesse für die Glaubensvorstellungen der von den Römern als „Germanen und Kelten“ bezeichneten Menschen folgte, bis ich schließlich eine unglaubliche Faszination für alles Altertümliche und Religiöse insgesamt entwickelte.

So, aber genug von mir. Um den Fund zu verstehen, wäre es ganz gut, ein bisschen in die Glaubensvorstellungen der Römer einzutauchen, und für alle, die keine Nerds im Bereich Antike sind, sei das kurz zusammengefasst:

Die römische Religion (lat. Religio Romana) unterscheidet sich vom christlich geprägten und dogmatischen Verständnis der Religion fundamental und war wesentlich offener gegenüber anderen Glaubensvorstellungen. Die Römer waren polytheistisch, sie glaubten also an viele Götter und je nach Region, Stand und Person verehrte man unterschiedliche Gottheiten. Die Idee religiös motivierter Kreuzzüge war den Römern fremd, ebenso wie die Vorstellung andere Menschen bekehren zu müssen. Ihre zahllosen Kriege dienten allein der Gebietserweiterung und dem Gewinn von Einfluss, wie es bei so vielen Imperien der Fall war.

Die Griechen hatten einen Kriegsgott namens Ares? Nice, die Römer hatten Mars und er wacht nicht nur über den Krieg, sondern schützt auch unsere Felder. Die Gallier verehrten Epona als Göttin der Pferde, Reiter und als Muttergottheit? Rom baute ihr Tempel in Gallien und sie war so beliebt, dass man ihre Statuen bald sogar in Rom selbst fand.

Die Römer waren also mehr als kompromissbereit andere Götter anzuerkennen, um Aufstände und Konflikte in neu eroberten Gebieten zu vermeiden. Man fürchtete sich jedoch auch vor dem Zorn der einheimischen Götter, wenn man sie nicht respektierte. So wurde aus dem ursprünglichen Bauerngott Mars auch noch der Gott des Krieges und in den gallischen Provinzen galt er unter dem Namen Lenus-Mars als Heiler und Beschützer.

Doch wer genau ist jetzt eigentlich Merkur und was bitte ist so besonders an dieser Statue?

Von Künstler/-in unbekannt - Jastrow, own work, 2008-03-07, CC BY 3.0

Doch wer genau ist jetzt eigentlich Merkur und was bitte ist so besonders an dieser Statue?

Merkur oder auch Mercurius geht wahrscheinlich auf den etruskischen Gott Turms und den griechischen Hermes zurück und hat dementsprechend viele Eigenschaften dieser beiden Götter übernommen (in sich vereinigt?). Der „klassische“ Merkur ist in erster Linie der Schutzpatron der Reisenden und Suchenden, besonders der Händler, und gilt als Gott der Waren, der Redegewandtheit und des Wohlstands.

 Da wir uns hier jedoch nicht in Rom befinden, ist für uns der keltische und germanische Merkur, also die Version des Merkur im Norden des römischen Reiches und sogar über dessen Grenzen hinaus, interessant. Tatsächlich lassen sich in Frankreich, Deutschland und Belgien viele Weihsteine und Tempel finden, die Merkur und eine seiner Gefährtinnen geweiht waren. Die gallischen Stämme sahen in Merkur ihren Hauptgott und so wurde aus dem Handels- und Botengott Mercurius Artaios, Mercurius Avernus, Mercurius Cissonius, Mercurius Gebrinius, etc. Das ging so weit, dass sich im heutigem Rheinland eine einzigartige gallo-römische Kultur entwickelte.

Karte des Römischen Reichs 117 n.Chr., © Von Cthuljew - Eigenes Werk, Gemeinfrei

Aber was war jetzt eigentlich mit den Menschen rechts des Rheins, und was haben römische oder „keltische“ Bräuche damit zu tun? Teile des Gebiets des heutigen NRWs, bzw. die Gebiete rechts vom Rhein, wurden niemals von den Römern erobert. Und doch wurden diese Menschen, wenn auch durch den Limes vom Imperium Romanum getrennt, durch Handel beeinflusst. Die Reichtümer der Römer wirkten auf die Menschen außerhalb dessen Grenzen doch allzu attraktiv.

Warum aber erzähle Ich Ihnen das? Wenn die Römer so tolerant waren, was ist an einer Statue des römischen Gottes Merkur außerhalb Roms so besonders? Nun, die in Beelen gefundene Statue wurde nicht alleine gefunden. In unmittelbarer Nähe wurden mehrere Gold-, Silber-, und Bleiringe gefunden, die im Stil eines Armreifes oder Halsringes angefertigt wurden, jedoch definitiv zu klein waren, um nutzbar zu sein. Außerdem fand man zwei Orakelstäbchen bei dem Fund vergraben, ein Mittel mit dem man hoffte den Willen der Götter zu erfahren. Die Tatsache, dass diese Gegenstände zusammengefunden wurden, die Ringe um Merkurs Hals gelegt kennen wir sonst nur aus dem römischen Kult, zeigt die Nachwirkungen der römischen Kultur auf die dortigen religiösen Vorstellungen. Solche Gegenstände brachten römische Bürger den Göttern an ihren Schreinen im eigenen Haus dar. Also ein original römischer Fund?

  • Goldener Halsreif in Miniatur

    LWL-Museum, Cornelia Moors

  • Silberner Halsreif in Miniatur

    LWL-Museum, Cornelia Moors

  • Bleiring in Miniatur

    LWL-Museum, Cornelia Moors

  • Bronzestäbchen, das als Orakel genutzt wurde, in dem man es wie ein Los zog

    LWL-Museum, Cornelia Moors

Wohl kaum, da die Römer um 16 n. Chr. das Gebiet wieder verließen. Die gefundenen Ringe lassen sich um das Jahr 500 datieren. Die Statue jedoch scheint bereits um 200 nach Christus gefertigt worden zu sein und weist deutliche Gebrauchsspuren auf. Wurde die Statue all die Jahre weitergereicht? Oder war sie vielmehr ein zur späteren Zeit importiertes Stück, welches im Zuge der regen Handelsbeziehungen außerhalb des römischen Reiches gelangte? In jedem Fall zeigt dieser Fund die gegenseitige Beeinflussung der Römer und Menschen rechts des Rheins und ist ein hervorragender Beleg, dass nicht nur die Römer Gottheiten in ihr Pantheon aufnahmen, sondern auch jene, die von den Römern undifferenziert als „Germanen“ bezeichnet wurden. Diese kannten nach Funden zu Urteilen einfache Pfahlgottheiten, wenn die Götter überhaupt in menschlicher Form dargestellt wurden. Die Statue selbst ist aus Bronze gefertigt, dessen Oberfläche im Laufe der Jahrhunderte oxidiert ist und eine grünliche Färbung angenommen hatte. Der rechte Arm ist leicht angewinkelt und in der Hand befindet sich ein Geldbeutel. Der linke Arm befindet sich im rechten Winkel und hält eine Opferschale in der Hand.

Doch wer vergrub diese Statue und warum? Die Christianisierung war noch weit entfernt. Am einfachsten ist die Annahme, die Statue sei eine Opfergabe gewesen, doch warum fehlen dann andere Opfergaben im Umfeld? Warum legte man die Ringe nach römischem Brauch um die Statue?

Der Merkur von Beelen bleibt ein Rätsel und seine Geheimnisse wurden wohl mit ihm begraben

Literaturverzeichnis

100 Jahre/100 Funde- Das Jubiläum der amtlichen Bodendenkmalpflege in Westfalen-Lippe, herausgegeben von der LWL-Archäologie in Westfalen

Aldo Massa, Die Welt der Etrusker

Martin Kuckenburg, Kultstätten und Opferplätze in Deutschland- Von der Steinzeit bis zum Mittelalter

Bernhard Maier, Die Religion der Kelten- Götter, Mythen, Weltbild