Ein Schlüssel aus dem Mittelalter – der große Drehschlüssel aus Rozedehusen

03.02.2023 Praktikant:in

Abbildung 1: moderne Zylinderschlüssel und elektronischer Schlüssel (Bildautor: Elgato, Wikimedia Commons)

Heute begegnen uns Schlüssel in vielen verschiedenen Bereichen im Alltag: Als Wohnungsschlüssel oder Autoschlüssel sowie in den verschiedensten Gesellschafts- oder Computerspielen spielen Schlüssel eine große Rolle. Aber auch Passwörter und Zahlenpins kann man als digitale Schlüssel verstehen. In erster Linie dienen und dienten Schlüssel zum Schutz, aber auch die symbolische Bedeutung ist vielfältiger als man vermutet.

Abbildung 2: Aufbau eines Drehschlüssels (Bildautor: F. Haag, Wikimedia Commons, Bearbeitung: L. Stude)

Aufbau eines Drehschlüssels

Die Bestandteile eines Schlüssels sind die Reide, das Gesenk, der Schaft und der Bart.

Die Reide ist der Griff des Schlüssels. Man unterscheidet grob zwischen rautenförmiger und ringförmiger Reide. Das Gesenk ist die Verbindung zwischen Reide und Schaft. Es ist eine kleine Verdickung des Schafts, welche das durchfallen durch das Schloss verhindert. Der Schaft kann hohl oder massiv sein. Man nennt ihn dann auch Hohldorn oder Volldorn. Ein Hohldorn wird von der Hohldornführung im Schloss geleitet. Eine Hohldornführung ist ein metallener Stiel, welcher den hohlen Schaft im richtigen Winkel hält und das Einführen des Schlüssels vereinfacht. Der Bart wird an den Schaft angelötet und ist der endscheidende Teil des Schlüssels. Je nachdem, wie die Zähne oder Durchbrüche des Schlüssels angeordnet sind, lässt sich der Schlüssel in der Kapelle oder im Haus, wie das Gehäuse für den Schlüssel genannt wird, drehen.

Abbildung 3: großer Drehschlüssel aus Rozedehusen (Bildautor: C. Moors, LWL Museum für Archäologie)

Zum großen Drehschlüssel aus Rozedehusen

Der Schlüssel wurde aus Eisen geschmiedet und wird in das 12. Bis 13. Jahrhundert datiert. Er unterscheidet sich durch Form und Größe von den anderen Schlüsseln aus Rozedehusen. Seine Reide ist rautenförmig und ist die einzige mit Eckvorsätzen, also Verdickungen an den Ecken der Reide. Der Schlüssel ist insgesamt 13,2 cm lang und die Reide ist 5,25 cm breit. Der Bart hat die Maße 2,1 x 3,2 cm. Der Schaft hat einen Durchmesser von 0,75 cm. Der Schlüsselbart besteht aus einer Verlängerung des Schafts, dem sogenannten Führungsstift, einem rechtwinkligen Haken an der Unterseite sowie einem weiteren nach unten gerichteten Haken dessen Spitze abgebrochen ist.

Abbildung 4: Rekonstruktion des Steinwerks mit angebautem Vorderhaus der Grangie Rozedehusen (Bildautor: R. Bergmann, LWL-archäologie für Westfalen)

Der Fundort - Die Grangie Rozedehusen

Der Schlüssel wurde in der Grangie Rozedehusen des Zisterzienserklosters Hardehausen gefunden. Grangien (von lateinisch granum, Korn) sind Kornspeicher oder Gutshöfe der Zisterzienser. Ihre Aufgabe ist es, den Eigenbedarf des Klosters zu decken, aber auch Überschüsse zu produzieren.

Die Grangie Rozedehusen würde im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts nach einem schematischen Bauplan erbaut. Der obere Grangienhof bestand aus einem Steinwerk mit einem angebauten Vorderhaus. Der östliche Teil des Vorderhauses diente vermutlich als Unterbringung für das Vieh, da er als einziger Teil der Grangie nicht gefliest war. Bei der Grangie Rozedehusen handelt es sich nicht nur um einen reinen Agrarbetrieb. Es wurden die Fundamente eines Schachtofens zum Einschmelzen von Metallen, zwei Eisenschmieden und Schmiedeschlacke gefunden. Daraus lässt sich schließen, dass die Verarbeitung von Roheisen auch zu den Aufgaben der Grangie gehörte. Die Grangie Rozedehusen wurde im Verlauf des 14. Jahrhunderts in Folge des Zusammenbruchs des Grangiensystems aufgegeben.

Von 1995 – 1999 fand hier das erste Mal eine vollständige Untersuchung eines Wirtschaftshofs der Zisterzienser statt. Dabei wurde auch der große Drehschlüssel gefunden. Außerdem fand man noch fünf weitere Drehschlüssel mit rautenförmiger Reide und sechs Drehschlüssel mit ringförmiger Reide. Fast alle Schlüssel wurden im Umfeld des Steinwerks und dem Vorderhaus gefunden, weshalb zu vermuten ist, dass es hier besonders viel verschlossen werden musste

 

  • Abbildung 5: Drehschlüssel mit rautenförmiger Reide aus Rozedehusen (Bildautor: LWL-archäologie für Westfalen)

  • Abbildung 6: Drehschlüssel mit ringförmiger Reide aus Rozedehusen (Bildautor: LWL-archäologie für Westfalen)

Das Schloss

Im Mittelalter wurden hauptsächlich Truhen mit Schlössern verschlossen, da die meisten Gegenstände in Truhen aufbewahrt wurden. Die Türen waren meist nur mit einfachen Holzriegeln versehen. Es gab aber auch verschließbare Einlassungen in der Steinwand.

Im Mittelalter unterscheidet man grob drei Arten von Drehschlössern: Das Schnappschloss, das Tourschloss und das Zangenschloss.

Das Besondere am Schnappschloss ist, dass das Schloss die Tür beim Schließen automatisch wieder verriegelt. Das ermöglicht eine gefederte Falle. Eine Falle ist der Riegel im Schloss, welcher für das Verschließen der Tür oder der Truhe verantwortlich ist. Durch Drehen des Schlüssels im Gehäuse wird der Angriff bewegt, welcher die Falle bewegen kann. Somit wird das Schloss geöffnet. Das Schnappschlossprinzip gibt es etwa seit dem 14. Jahrhundert und wird auch heute noch viel verwendet.

Die Falle des Tourschlosses wird genauso bewegt wie die des Schnappschlosses, schließt aber nicht von selbst. Allerdings ist hier eine ganze Umdrehung des Schlüssels notwendig, da meistens noch eine Zuhaltung angehoben werden muss, welche verhindert, dass sich der Angriff bewegen kann. Auch das Tourschloss gibt es seit dem 14. Jahrhundert.

Das Zangenschloss wird meistens für Truhen verwendet, denn die Falle zeigt meist nach oben. Ein an beiden Seiten abgeschrägter Schließkolben wird in das Schloss gedrückt und verschließt die Truhe. Beim Öffnen werden die Zangenfallen auseinandergedrückt und der Schließkolben entriegelt die Truhe.

Abbildung 7: Wappen von Papst Benedikt XVI. (Bildautor: Andrea Cordero Lanza di Montezemolo, Wikimedia Commons)

Die Symbolik des Schlüssels

Die Symbolik des Schlüssels ist sehr vielschichtig.

Da man mit einem Schlüssel sowohl öffnen als auch schließen kann, ist er das Symbol der Vollmacht. Auch Petrus bekommt die „Schlüssel des Himmelreichs“ von Jesus verliehen. Diese sind auch in das Wappen der Päpste übergegangen, wo zwei Schlüssel für das Binden und Lösen stehen. Er kann aber auch ein Symbol des Wissens sein, da geheimes Wissen oder Rätsel „entschlüsselt“ werden müssen. Auch bei einer Kapitulation oder beim Einzug eines Landesherrn spielt der Schlüssel durch die Übergabe der Stadtschlüssel eine symbolische Rolle. Metaphorisch gesehen kann man auch das Herz mit der Liebe öffnen. Deshalb steht der Schlüssel auch für die Liebe. Das sieht man auch in der Mythologie: Zu den Attributen des Amors gehört neben Pfeil und Bogen auch der Schlüssel.

In der Dauerausstellung liegt der große Drehschlüssel mit weiteren Schlüsseln und Metallobjekten wie einem Kerzenständer in Hirschgestalt, einem Hufeisen, einer Spore und Fußfesseln in einer Vitrine. Diese steht in Kontrast zu der diagonal gegenüberliegenden Vitrine, welche Eisenobjekte wie die Schneide eines Pfluges, eine Hacke, eine Axt und eine Sichel zeigt. Auch die Böden der beiden Vitrinen betonen dies noch einmal. Im Boden der Vitrine des Schlüssels befinden sich Tonfliesen, während in der Anderen einfacher Lehmboden ist.  Das kommt daher, dass der Schlüssel im Bereich der Grundherrschaft in der Dauerausstellung zu finden ist. Während dieser Zeit wurden aus Sklaven abhängige Bauern, welche Abgaben und Frondienst leisten müssten. So wird der Unterschied zwischen den zwei Gesellschaftsschichten deutlich.

Als ich die Schlüssel in der Dauerausstellung gesehen habe, ist mir aufgefallen, wie wenig ich über Schlüssel aus dieser Zeit weiß. Damit war mein Interesse geweckt und ich wollte mehr über dieses Thema wissen. Aus den ausgestellten Schlüsseln habe ich mir den großen Drehschlüssel ausgesucht, weil er mir wegen seinem Größenunterschied, aber auch wegen seiner besonderen Form, direkt ins Auge gefallen.

Lina Stude, Schülerpraktikantin

Literatur

R. Bergmann, Großer Drehschlüssel mit rhombischer Reide. In: LVR-LandesMuseum Bonn (Hrsg.), Die Zisterzienser. Das Europa der Klöster (Bonn, 2017), 258

R. Bergmann, Grangien des Klosters Hardehausen. Rozedehusen, Hodagessen, Kivelinchusen und Bunessen. In: LVR-LandesMuseum Bonn (Hrsg.), Die Zisterzienser. Das Europa der Klöster (Bonn, 2017), 169-171

R. Bergmann, Fünf Drehschlüssel mit rautenförmiger Reide. In: LVR-LandesMuseum Bonn (Hrsg.), Die Zisterzienser. Das Europa der Klöster (Bonn, 2017), 257-258

R. Bergmann, Sechs Drehschlüssel mit ringförmiger Reide. In: LVR-LandesMuseum Bonn (Hrsg.), Die Zisterzienser. Das Europa der Klöster (Bonn, 2017), 258

U. Weissenberger, Eiserne Schönheiten. Schloss und Schlüssel (Regenstauf, 2011), 50-54

S. Leenen, Leben auf der Burg. In: LWL-Museum für Archäologie – Westfälisches Landesmuseum, Ritter, Burgen und Intrigen Aufruhr 1225! Das Mittelalter an Rhein und Ruhr (Mainz, 2010), 445

C. Wetzel, Das große Lexikon der Symbole (Darmstadt, 2008), 272