Grabstein des Marcus Caelius

02.08.2022 Praktikant:in

Abbildung 1: Original des Caeliussteins aus dem rheinischen Landesmuseum in Bonn (Urheber: Wikimedia Commons und Fotograf: J. Vogel (LVR Landesmuseum Bonn))

Der Grabstein des Marcus Caelius

Einziger Beweis für die Varusschlacht

Mir war sofort klar, dass das Thema meines Blogs, den ich im Rahmen meines Orientierungspraktikums im Archäologiemuseum Herne schreibe, etwas mit dem alten Rom zu tun haben soll. Ich habe mich dann für den Grabstein des Marcus Caelius entschieden, weil es für mich faszinierend ist, dass dieser der einzige sichere archäologische Beweis für eine so bekannte und bedeutende Schlacht wie die Varusschlacht ist, weil Texte von Geschichtsschreibern wie Tacitus nicht als archäologischer Fund gewertet werden. Archäologische Funde sind nämlich physisch.

Der Grabstein ist 1,27 m hoch, 1,08 m breit und 0,12 m tief. Ursprünglich hatte er noch einen Sockel und war um ca. ein Drittel höher als jetzt. Der Sockel gehörte aber wahrscheinlich in den Boden. Außerdem war der Grabstein früher, wie in Rom üblich, möglicherweise angemalt.

Links unten ist ein Stück des Steines abgebrochen und oben rechts ist eine Stelle ergänzt, die eigentlich auch abgebrochen war. Durch den Stein verläuft ein Sprung, der auch restauriert wurde, und oben befinden sich kleinere Risse. Die Gesichter sind teilweise abgerieben. Der Grabstein besteht aus Kalkstein. Unten steht die Inschrift:

M(arco) Caelio T(iti) f(ilio) Lem(onia tribu) Bon(onia) [I] o(rdini) leg(ionis) XIIX ann(orum) LIII [ce]cidit bello Variano ossa [i]nferre licebit P(ublius) Caelius T(iti) f(ilius) Lem(onia tribu) frater fecit

Dem Marcus Caelius gewidmet, dem Sohn des Titus, aus dem Bezirk Lemonia, aus Bologna, dem Hauptmann der 1. Kohorte der 18. Legion, 53 Jahre alt. Er ist gefallen im Krieg des Varus. (Seine) Gebeine können hier bestattet werden. Sein Bruder, Publius Caelius, der Sohn des Titus, aus dem Stimmbezirk Lemonia, hat diesen Stein errichtet.

Der obere Teil ist von einer Ädikula, also einem kleinen Tempel, umrahmt. Die Ädikula ist mit Ornamenten, Palmetten (Schmuck aus Stein in Form von Palmenblättern) und Bändern verziert. In der Ädikula sind Caelius und seine beiden Freigelassenen zu sehen. Caelius ist als große Halbfigur im Zentrum dargestellt, von den Freigelassenen sind nur die Köpfe zu sehen. Die drei Figuren haben alle ähnliche Züge, da sie zu dieser Zeit oft denen der Kaiser nachempfunden wurden. Unter dem linken Freigelassenen steht die Inschrift:

M(arcus) CAELIVS L(ibertus) PRIVATUS

Marcus Caelius Privatus, Freigelassener,

Unter dem Rechten:

M(arcus) CAELIVS M(arci) L(ibertus) THIAMINVS

Marcus Caelius Thiaminus, Freigelassener des Marcus.

  • Abbildung 2:Kopie des Caeliussteins im LWL Museum für Archäologie in Herne (Urheber: Aaron Hagemann)

  • Abbildung 3: Klebekante an der Kopie des Caeliussteins (Urheber: Aaron Hagemann)

Caelius trägt eine Tunika, darüber einen Panzer (Lorica) und einen Mantel (Stola). In der rechten Hand hält er einen Rebstock (Vitis). Außerdem trägt er mehrere Militärabzeichen (Dona militaria). Dabei handelt es sich um zwei Torques, die um ein Tuch an seinem Hals hängen, 7 Orden (Phalerae), zwei Armreife (Armillae) und eine Eichenlaubkrone. Torques sind Ringe, die oft eine kleine Öffnung und verdickte Enden haben. Sie stammen eher aus der „keltischen“ Kultur und wurden von den Römern als Militärabzeichen übernommen. Phalerae sind runde Scheiben, die mit Köpfen geziert sind. Caelius trägt fünf an der Brust und zwei über den Schultern, weil sie wahrscheinlich nicht mehr zu den anderen gepasst haben. Auf ihnen sind in der Mitte die Medusa (ein Ungeheuer der griechischen Sagenwelt), und rechts und links davon ein Satyr und eine Mänade, die beide zum Gefolge des Bachhus, dem Gott des Weines, gehören und vielleicht für Glück stehen könnten, zu sehen. Eine Scheibe wird von Caelius rechtem Arm verdeckt und auf den übrigen sieht man Löwen, ein Zeichen für Stärke. Außerdem sollen die Scheiben wahrscheinlich Unglück abwehren. Die Kopie im Archäologiemuseum Herne sieht äußerlich fast gleich aus. Die einzigen Unterschiede sind, dass oben kein weggebrochenes Stück zu erkennen ist, weil bei der Kopie nichts weggebrochen ist und wie beim Original ersetzt werden musste; dass um die Figuren herum eine Klebekante zu sehen ist, weil die Figuren wahrscheinlich nachträglich eingesetzt wurden; und dass an der Ädikula einige Verzierungen fehlen.

Abbildung 4: Stabsgebäude des Legionslagers Vetera I (Urheber: Wikimedia Commons und Fotograf: Baoquan Song)

Fundort und „Reise“ des Exponats

und eine kurze Geschichte der Museen

Der Grabstein wurde 1620 in Xanten gefunden. Wenn Sie jetzt an Xanten denken, denken Sie wahrscheinlich eher an die große restaurierte Römerstadt Colonia Ulpia Traiana. Allerdings wurde der Grabstein im Legionslager Vetera I gefunden, das während des Bataveraufstandes (69–70 n. Chr.) zerstört und dann durch das Lager Vetera II ersetzt wurde, um das sich das Xanten bildete, das wir heute kennen. Erstmal befand er sich dann im Antikenkabinett der Schwanenburg in Kleve. Mit den Sammlungen aus solchen Antikenkabinetten könnten die Besitzer verschiedene Ziele verfolgt haben. Eines ist der Versuch, eine frühere Zeit sozusagen zurückzuholen, sie wieder lebendig zu machen und von ihr zu lernen. Ein Ziel könnte aber auch sein, sich einfach mit seinem besonderen Besitz hervorzuheben und damit anzugeben. 1663 kam der Grabstein mit mehreren anderen Funden aus dem Antikenkabinett in das Grabmal des Fürsten Johann Moritz von Nassau. Dort wurde er durch Witterung und wahrscheinlich auch den französischen Angriff 1702 beschädigt. 1792 wurde er zurück ins Klever Schloss gebracht. Der dortige Antiquitätensaal stürzte 1817 ein, worauf die Sammlung geborgen und im Kreisgerichtssaal ausgestellt wurde. 1820 wurde dann das rheinische Landesmuseum in Bonn gegründet und weil die Sammlung in der Öffentlichkeit leicht beschädigt werden konnte, wurde sie in das neue Museum gebracht, wo der Grabstein bis heute steht. Der Grabstein wechselte also von einer Art Vorgänger der Museen, nämlich dem Antikenkabinett, ins Museum. Mit Museen wurde und wird immer noch, wie vielleicht im Antikenkabinett auch, der Zweck verfolgt, die Vergangenheit zurückzuholen und von ihr zu lernen. Der Unterschied zum Antikenkabinett ist, dass ein Museum für alle da ist, was für viele Einrichtungen, wie z. B. auch Theater, eine eher neue Idee ist. Das Konzept des Museums gab es auch schon in der Antike, nach der „Zeit der Griechen“ ging es aber für mehrere Jahrhunderte wieder verloren.

Marcus Caelius und die Bedeutung seines Grabsteins

Marcus Caelius war Centurio primi ordinis (Zenturio der ersten Ordnung) in der achtzehnten Legion. Das heißt, dass er entweder Offizier in der ersten Kohorte, oder der Anführer einer der anderen Kohorten war. Eine Kohorte ist das Zehntel einer Legion. Er starb mit 53 Jahren in der Varusschlacht, welche wahrscheinlich im Jahr 9 n. Chr. stattfand und in der ein Verband aus verschiedenen „germanischen“ Stämmen unter Führung von Arminius und seinen Cheruskern drei römische Legionen unter Varus vernichtete. Damit beendeten sie größtenteils die römische Besatzung in Germanien. Die Abzeichen, die Marcus trägt, erzählen von seinen Erfolgen und die Krone aus Eichenlaub steht für die Rettung eines Zivilisten oder Kameraden aus Gefahr im Kampf. Der Rebenholzstab (Vitis) als Zeichen der Strafgewalt, der Panzer (Lorica) und der Mantel (Stola) zeichnen ihn als ranghohen Offizier aus. Durch die umrahmende Ädikula werden die Statuen betont und vielleicht wurde sie auch genutzt, weil sie gut aussieht und damals im Trend war. Man weiß aber, dass es in Marcus Caelius´ Heimat in Bologna ähnliche Ädikulä gab, vielleicht wollte sein Bruder also auch an seine Herkunft erinnern. Die beiden Freigelassenen könnten darauf hinweisen sollen, dass Caelius es bis zum Patron geschafft hat, da Freigelassene meist zum Klienten ihres früheren Herren wurden. Patrone mussten im alten Rom auf ihre Klienten aufpassen und z. B. ihre Streitigkeiten klären, wofür die Klienten ihren Patron ehren und Aufgaben für ihn erfüllen mussten.

Wie oben schon gesagt, ist der Grabstein der einzige sichere archäologische Beweis für die Varusschlacht. Es gibt auch noch viele Funde aus Kalkriese, von denen vermutet wird, dass sie von der Varusschlacht stammen. Jedoch können sie ihr nicht mit Sicherheit zugeordnet werden, weil kein Fund die Schlacht erwähnt. Durch diese Aussagekraft ist der Fund sehr bedeutend. Marcus Caelius wurde übrigens nie an seinem Grabstein begraben, da er auf der anderen Rheinseite gestorben ist. Man weiß nicht, was mit ihm passiert ist. Vielleicht liegt er in einem der Gräber, die von Germanicus, einem römischen General, Großneffen des Kaisers Augustus und Vater des späteren Kaisers Caligula, und seinen Soldaten ausgehoben wurden, vielleicht wurde er auch von „Germanen“ geopfert, wie Tacitus sagt.

Die Varusschlacht

Ein Desaster für Rom

„Vare, Vare, redde mihi legiones meas!“ (Varus, Varus, gib mir meine Legionen zurück). Diesen Satz soll Kaiser Augustus angeblich gesagt haben, als er von Varus´Niederlage im Teutoburger Wald erfuhr. Die Schlacht fand, wie schon erwähnt, wahrscheinlich im Jahr 9 n. Chr. statt. Sie war die Folge auf Augustus´Germanenpolitik in den Jahren davor. Schon unter Caesar wurden zwei Germanienexpeditionen jenseits des Rheins unternommen und unter Augustus wurde Germanien größtenteils erobert. 7 n. Chr. wurde dann Publius Quinctilius Varus Oberbefehlshaber in Germanien. Sein Hauptziel war die Zivilisierung der „germanischen Stämme“. Diese waren mit der römischen Herrschaft aber nicht einverstanden und es bildete sich ein Aufstand unter Arminius.

Arminius war ein adliger Cherusker, der gute Beziehungen mit Rom und Erfahrung in der römischen Armee hatte. Durch seinen Dienst verdiente er sich sogar das römische Bürgerrecht und wurde in den Ritterstand erhoben. Trotzdem verriet er Rom, vielleicht aus Loyalität zu seinem Stamm. Auch mit Varus hatte er gute Beziehungen und angeblich vertraute dieser ihm. Es gibt die Geschichte, dass der Cherusker Segestes, der auch später noch eine bedeutende Rolle hat, Arminius am Vorabend der Schlacht verraten haben soll und dass Arminius seiner Aussage sogar zustimmte und zugab, dass er Varus verraten will, Varus dem aber keinen Glauben schenkte, weil er Arminius zu sehr vertraute. Die Schlacht fand nach dem Aufbruch ins Winterlager statt. Arminius berichtete Varus von einem Aufstand, der nahe an der Route lag, die zum Winterlager führte. Dieser wollte den Aufstand auf dem Weg niederschlagen. Arminius ritt mit germanischen Hilfstruppen vor, angeblich um das Gebiet zu erkunden. Der Plan war, die Legionen in ein Gebiet zu locken, in dem sie die Marschordnung ändern und eine lange Reihe bilden mussten, die man leichter angreifen konnte. Die „Germanen“ griffen aus dem Hinterhalt an. Die Schlacht dauerte mehrere Tage, während denen die Legionen es schafften, sich zurückzuziehen und ein Lager aufzubauen. Bedingt durch schlechtes Wetter zögerten sie die Niederlage aber nur heraus. Varus und mehrere andere Offiziere begingen wahrscheinlich Selbstmord.

Schriftsteller wie Tacitus berichten von grausamen „germanischen“ Ritualen im Anschluss an die Schlacht, bei denen die besiegten Legionäre geopfert wurden. Die Folgen der Schlacht waren der Verlust vom größten Teil Germaniens und drei Legionen. Es gab Versuche, Gebiete zurückzuerobern, wie den Feldzug des Germanicus, während dem auch die Soldaten der Varusschlacht begraben wurden, aber man hatte keinen Erfolg und der Rhein wurde die neue Reichsgrenze. Dazu muss gesagt werden, dass mit Germanien Germania magna, also die „germanischen“ Siedlungsgebiete östlich des Rheins gemeint sind. Es gab auch die römischen Provinzen Germania inferior und Germania superior, die noch länger in römischer Hand blieben und sich westlich des Rheins befanden. Es wird vermutet, dass die Schlacht in Kalkriese stattfand, weil es zum ungefähren Ort passt und dort viele Skelette, Waffen und Rüstungen gefunden wurden, die auf eine Schlacht hinweisen. Außer dem Caeliusstein gibt es aber natürlich bis jetzt noch keinen anderen archäologischen Fund, der sicher auf die Schlacht hinweist. Zu den Berichten von Geschichtsschreibern wie Tacitus, der bewegende Bilder vom Schlachtfeld überlieferte, muss außerdem gesagt werden, dass sie wahrscheinlich voreingenommen sind und versuchen, Rom so gut dastehen zu lassen wie es geht und die „Germanen“ als grausame, feige Barbaren. Auch wenn Tacitus dem römischen Reich eigentlich kritisch gegenüberstand und sich die Republik zurückwünschte.

Fazit

Insgesamt ist der Grabstein noch ziemlich gut erhalten. Er hat zwar mehrere Schäden, aber man kann immer noch alles gut erkennen und sie machen es nicht unmöglich zu erfahren, wer Caelius war und wie bedeutend sein Grabstein ist. Er ist nämlich, wie gesagt, als einziges sicheres archäologisches Zeugnis der Varusschlacht sehr bedeutend. Außerdem hat er die Entwicklung der heutigen Museen aus den neuzeitlichen Antikenkabinetten sozusagen miterlebt. Caelius hat seinen Auszeichnungen und der Inschrift nach zu urteilen viel erlebt und als hochrangiger Offizier auch viel erreicht. Mit 53 Jahren war er für die damalige Zeit wahrscheinlich alt, da man bis jetzt nicht von sehr vielen Fällen weiß, in denen der Verstorbene über 50 Jahre alt wurde. Meiner Meinung nach wird die Ausstellung durch so ein wichtiges Fundstück bereichert.

Aaron Hagemann (Schülerpraktikant)

Literatur

Ulrike Theisen, Steckbrief. Der Grabstein des Marcus Caelius. In: Hrsg. Hans-Joachim Schalles und Susanne Willer, Marcus Caelius. Tod in der Varusschlacht

Hans-Joachim Schalles, Soziale Schranken. Freie, Freigelassene, Sklaven. In: Hrsg. Hans-Joachim Schalles und Susanne Winkler, Marcus Caelius. Tod in der Varusschlacht

Marcus Reuter, Wie alt man wurde. Die Angaben auf Grabsteinen. In: Hrsg. Hans-Joachim Schalles und Susanne Winkler, Marcus Caelius. Tod in der Varusschlacht

Hans-Hoyer v. Prittwitz und Gaffron, Dona Militaria. Gekrönt und hoch dekoriert.  In: Hrsg. Hans-Joachim Schalles und Susanne Winkler, Marcus Caelius. Tod in der Varusschlacht

Susanne Willer, Die Ädikula. Das Tempelchen als Grabdenkmal. In: Hrsg. Hans-Joachim Schalles und Susanne Winkler, Marcus Caelius. Tod in der Varusschlacht

Wilhelm Diedenhofen, Von Xanten nach Bonn. Rezeptionsgeschichte. In: Hrsg. Hans-Joachim Schalles und Susanne Winkler, Marcus Caelius. Tod in der Varusschlacht

Günter Ristow, Steindenkmäler A 127 Grabstein des Marcus Caelius. In: Hrsg. Römisch-Germanisches Museum Köln, Römer am Rhein

Susanne Kimmig-Völkner; Arnold Muhl; Alfred Reichenberger; Andrea Schaer; Nico Schwerdt; Michael Strambowski; Juliane Weiß, Ein Volk von Ringträgern? In: Hrsg. Harald Meller; Susanne Kimmig-Völkner; Alfred Reichenberger, Ringe der Macht

Hildegard Vieregg, Museumswissenschaften S.61–82