In einem Guss: eine bronzene Gussform

07.04.2023 Praktikant:in

Auf der Suche nach meinem Lieblingsobjekt:

Neben anderen Tätigkeiten bin ich im Rahmen meines sechswöchigen Praktikums im LWL-Museum für Archäologie und Kultur mit der Suche nach meinem Lieblingsobjekt beauftragt worden. Allein die Suche ist dabei eine Aufgabe für sich. Plötzlich geht man ganz anders durch die Dauerausstellung. Jede Vitrine wird inspiziert und man stellt sich die Frage: Könnte dieses Exponat mein Lieblingsobjekt sein? Hierbei wurde mir erst die Menge und Vielfalt der Exponate im Museum wirklich bewusst. Von Zahnbürste bis Mammutknochen ist alles dabei. Am Ende fiel meine Auswahl jedoch auf ein etwas verstecktes und vielleicht unscheinbareres Exponat: eine bronzene Beil-Gussform!

Abb. 1: Bronzene Beilgussform der späten Bronzezeit (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/S. Brentführer).

Die Gussform:

Bei der Gussform handelt es sich, wie man aus dem Namen vielleicht schon ableiten kann, um eine bronzene Form für die Herstellung einer bronzenen Beilklinge. Sie besteht aus zwei Hälften, welche erst zusammengesetzt die vollständige Form bilden. Dabei ist sie schon um die 3000 Jahre alt und datiert in eine Zeit, die als späte Bronzezeit bezeichnet wird. Gefunden wurde sie vermutlich als Einzelobjekt im oder am Flusslauf der Lippe bei Werne (Kreis Unna) und das bereits vor über ca. 120 Jahren! Leider wissen wir aufgrund der Zeit und unzureichender Dokumentierung nicht viel über die Umstände des Fundes. Aber es lassen Spuren an einer der Gussformhälften darauf schließen, dass sie sich ehemals in einem Beutel befunden haben könnten. Der Transport der Gussform wäre damit jedenfalls leichter gewesen.

Abb. 2: So kann man sich die fertige Beilklinge vorstellen, nachdem sie der Gussform entnommen wurde. (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/E. Müsch).

Warum verwendete man ausgerechnet Bronze für eine Gussform?

Eine berechtigte Frage, denn Bronze war auch noch in der späten Bronzezeit in Westfalen ein wertvolles und seltenes Gut. So mussten für die Herstellung die Ausgangstoffe in Form von Zinn und Kupfer über weite Strecken importiert oder bereits fertige Bronzegegenstände getauscht bzw. wiederverwendet werden. Es war normal, dass trotz des Vorhandenseins von Bronze die Menschen immer noch Stein- und Knochengeräte verwendeten. Diese waren preiswerter und einfacher zu ersetzen.  Zu dem Thema hat eine Vorgängerin von mir bereits einen Blogartikel geschrieben, den ich nur weiterempfehlen kann!

 

Es ist darum nicht verwunderlich, dass bronzene Gussformen selten gefunden werden. Häufiger vertreten sind Varianten aus Stein. Tonformen werden wenig angetroffen. Gerade das ist sehr verwunderlich, denn im Normalfall bildet Keramik oder gebrannter Ton den Hauptbestandteil der Funde auf Grabungen. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass das Material der tönernen Gussform wiederverwendet wurde. Hierzu mag die Form zerkleinert und dann dem Ton für eine neue Form als Zusatz hinzugegeben sein. Dieser Zusatz, der auch Magerung genannt wird, erhöht die Stabilität des Tones. Der Umgang mit den verwendeten Formen könnte ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Man geht davon aus, dass die benutzten Formen einfach liegen gelassen wurden. So waren sie anfälliger für eine Zerstörung durch Wind und Wetter.

Worin liegt also der Vorteil einer bronzenen Gussform? Reichten Gussformen aus Ton und Stein nicht völlig aus? Durch die Bronze konnte man die Gussform mehrfach verwenden. Dies unterschied sie z. B. von tönernen Gussformen. Auch war sie durch ihr Material nicht so anfällig für Schäden durch Transport. Neben diesen praktischen Funktionen mag sie zudem als eine Art Statussymbol zu verstehen sein. Sie könnte z. B. die hohen Kenntnisse der Person in der Bronzebearbeitung zur Schau stellen. Hierfür könnte der allgemeine Wert der Form, wie auch die Notwendigkeit, sie aus Bronze zu gießen, sprechen. Die richtige Handhabung und Herstellung setzt eine Vertrautheit mit dem Material und dem Handwerk voraus.

Abb. 3: Ein Beispiel für eine Steingussform (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen / S.Brentführer).

So nah und doch so fern:

Auf ein besonderes Merkmal unserer Gussform bin ich bis jetzt gar nicht eingegangen. Denn die Beilklinge, die durch die Form entsteht, ist ganz und gar untypisch für Westfalen. Beheimatet ist sie eher ein paar hundert Kilometer weiter westlich im Süden Englands und Westen Frankreichs. Als Vergleich ist ein für unsere Region typisches Beil in Abb. 4 zu sehen. Bei diesem handelt es sich um ein Lappenbeil aus Salzkotten-Scharmede, das auch ca. 3000 Jahre alt ist. Wie ist die Gussform zu uns gekommen? Die Antwort auf die Frage muss leider noch einen Augenblick warten. Denn wenn wir dieser Besonderheit auf den Grund gehen wollen, ist es notwendig, sich die damaligen Handelsbeziehungen und Verknüpfungen anzuschauen.

Ich habe schon angedeutet, dass durch den Handel mit Bronzewaren und Rohstoffen eine rege Interaktion in der Bronzezeit bestand. Aber wodurch war dieser umfangreiche Handel überhaupt möglich? Vermutlich kann man sich das ungefähr so vorstellen: Die Menschen produzierten, wenn sie handeln wollten bzw. konnten, mehr als sie verbrauchten. Zwar nicht in dem Ausmaß der heutigen Massenproduktion, aber immerhin. Der so entstandene Überschuss an z. B. Getreide konnte dann gut gegen andere Produkte oder auch Wissen getauscht werden.

Begründet wird dieses Austausch- und Handelsnetz gerade an Objekten wie unsere Gussform. Sie sind über die gedachten Grenzen ihres Hauptverbreitungsgebietes gefunden worden. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Menschen weite Wege auf sich genommen haben. Nicht nur das! Dabei nahmen sie auch Gegenstände aus der Heimat mit, die in der Ferne vielleicht getauscht oder anderweitig dort verblieben. Unsere Gussform ist somit ein kleiner Teil, der im Zusammenhang mit Funden ähnlicher Eigenschaften, die Grundlage für die Annahme eines bestehenden umfangreichen Netzwerkes an Austausch und Handel bildet. Es ist weiter davon auszugehen, dass nicht nur Objekte ausgetauscht, sondern auch Wissen, Sprache und Ideen ebenfalls verbreitet wurden.

Abb. 4: Das ist ein Foto von einem etwa zeitgenössischen Lappenbeil aus Salzkotten-Scharmede mit regionaltypischer Form (Foto: LWL/C. Hildebrand)

Und wie kommt die Gussform jetzt zu uns?

Die Gussform ist ein Hinweis auf eine weitreichende Vernetzung von Menschen. Vielleicht wurde sie von einem:einer professionellen Bronzeschmied:in, mit auf die Reise nach Westfalen genommen, um dort Waren zum Tausch anzubieten. Dabei ging die Form mit Beutel verloren. Oder war vielleicht gerade die Gussform das Objekt eines Tausches? Zu 100 % wird man die Geschichte der Gussform nicht rekonstruieren können. Aber auch das macht die Archäologie aus. Man stellt Annahmen auf, die auf den bisherigen Erkenntnissen, den Informationen des Fundes und den eigenen Kompetenzen aufbauen. Jedoch wird man nie sagen können, dass man exakt weiß, wie z. B. die Gussform ihren Weg an oder in den Flusslauf der Lippe fand.

Geschrieben von: Pascal Mund, studentischer Praktikant

Verzeichnisse:

Literatur:

Albrecht Jockenhövel – Eugen Müsch – Michael Overbeck: Bronzene Gießform von Werne – Innenansichten, in: Archäologie in Westfalen-Lippe 2020 (Langenweißbach 2021) 245–248

Daniel Bérenger – Christoph Grünewald (Hrsg.), Westfalen in der Bronzezeit (Münster 2008)

Hans Joachim Benke: Rez. zu: Michael Overbeck: Die Gießformen in West- und Süddeutschland (Saarland, Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg, Bayern). Mit einem Beitrag von Albrecht Jockenhövel: Alteuropäische Gräber der Kupferzeit, Bronzezeit und Älteren Eisenzeit mit Beigaben aus dem Gießereiwesen (Gießformen, Düsen, Tiegel). Prähistorische Bronzefunde Abteilung XIX, Band 3. (Stuttgart 2018), in: Jahresschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte 02.06.2021, DOI: https://doi.org/10.11588/jsmv.2021.1.81488

Sven Spiong: 3000 Jahre altes Bronzebeil bei Scharmede entdeckt, in: Blog der LWL-Archäologie für Westfalen 26.06.2015, URL: 3000 Jahre altes Bronzebeil bei Scharmede entdeckt - LWL | Blog - LWL-Archäologie für Westfalen (lwl-archaeologie.de), abgerufen 21.03.2023

Abbildungen:

Titelbild: Albrecht Jockenhövel – Eugen Müsch – Michael Overbeck: Bronzene Gießform von Werne – Innenansichten, in: Archäologie in Westfalen-Lippe 2020 (Langenweißbach 2021) 245 (Abb.1)

Abb. 1: Albrecht Jockenhövel – Eugen Müsch – Michael Overbeck: Bronzene Gießform von Werne – Innenansichten, in: Archäologie in Westfalen-Lippe 2020 (Langenweißbach 2021) 246 (Abb.3)

Abb. 2:  Albrecht Jockenhövel – Eugen Müsch – Michael Overbeck: Bronzene Gießform von Werne – Innenansichten, in: Archäologie in Westfalen-Lippe 2020 (Langenweißbach 2021) 246 (Abb. 2)

Abb. 3:  Daniel Bérenger – Christoph Grünewald (Hrsg.), Westfalen in der Bronzezeit (Münster 2008) S. 93

Abb. 4: Sven Spiong: 3000 Jahre altes Bronzebeil bei Scharmede entdeckt, Blog der LWL-Archäologie für Westfalen 26.06.2015, URL: 3000 Jahre altes Bronzebeil bei Scharmede entdeckt - LWL | Blog - LWL-Archäologie für Westfalen (lwl-archaeologie.de), abgerufen 21.03.2023 (Abb.1)