Mehr als nur schön anzusehen – Der Noppenring von Bad Wünneberg-Leiberg

23.03.2021

Abb. 1: Noppenring, Gold, Bad Wünneberg-Leiberg © LWL-Archäologie für Westfalen/S. Brentführer

Mehr als nur schön anzusehen

Der Noppenring von Bad Wünneberg-Leiberg

Mein Lieblingsobjekt in der Dauerausstellung finden und darüber einen Blogartikel schreiben? Gar keine einfache Aufgabe, sich da zu entscheiden! Während meines ersten Rundgangs durch die Ausstellung im LWL-Museum für Archäologie Herne galt mein besonderes Interesse den Exponaten, welche ab September in der neuen Sonderausstellung „Stonehenge“ gezeigt werden. Dabei fiel mir besonders der Name eines kleinen Rings ins Auge. Verwundert fragte ich mich, was es mit dem Begriff „Noppenring“ auf sich hat. Da war mir klar, ich möchte mehr über diesen Ring erfahren!

„Die Arbeiter bissen ein Stück ab, um zu sehen, ob es Gold sei.(Abb. 1)

Diese Anekdote berichtete der Ausgräber W. Spancken in seinem Schreiben über den Fund des Noppenrings. Spancken leitete im August 1846 eine Ausgrabung in Bad Wünneberg-Leiberg, im Kreis Paderborn. Dort befand sich in einem Waldgebiet eine Gruppe von 14 Grabhügeln. In der Mitte eines 2,4 m hohen und etwa 12,2 m im Durchmesser breiten Grabhügels wurden, neben dem Ring, auch ein in mehrere Teile zerbrochenes Kurzschwert vom Typ Sögel aus Bronze und ein schmales Randleistenbeil, ebenfalls aus Bronze, gefunden. (Abb. 2)

Beim Noppenring fällt, neben dem glänzenden goldenen Draht, besonders seine Größe auf. Der Durchmesser beträgt (nur) 1,2 cm und er wiegt 2,8 g.
Aufgrund der Funde lässt sich sagen, dass in diesem Grab wohl ein Mann aus dem Übergang der Frühen zur Mittleren Bronzezeit bestattet war. Damit lässt sich der Ring auf etwa 1600–1500 v. Chr. datieren.

 

Abb. 2: Randleistenbeil und Kurzschwert, Bronze, Bad Wünneberg-Leiberg © LWL-Museum für Archäologie Herne/Th. Schuff
Abb. 3: Der goldene "Noppenring" aus Bad Wünneberg-Leiberg © LWL-Archäologie für Westfalen/J. Hallenkamp-Lumpe

Was ist überhaupt ein Noppenring?!

Nun stellt sich aber die Frage, wie der Ring zu seinem Namen kommt. Auf den ersten Blick lassen sich an dem Ring ja keine Noppen erkennen. Die Bezeichnung „Noppenring“ stammt von der Art und Weise, wie dieser Ring wohl hergestellt wurde. Bei der Herstellung wurde als erstes ein ca. 1 mm dicker Golddraht in der Mitte zu einer engen Schleife, der Noppe, gebogen. Im nächsten Schritt sind die parallelen Drahtenden von dort aus über weitere Windungen (oder Noppen) übereinander zu einem Ring umgebogen bzw. zusammengerollt worden. (Abb. 3)

Zu klein für einen Finger

Mit seinem Durchmesser von 1,2 cm wird schnell deutlich, dass der Ring viel zu klein war, um ihn an einem Finger zu tragen. Wofür wurde er dann genutzt? Auskunft darüber geben andere Fundorte, in denen ähnliche Ringe entdeckt wurden. So kennen wir aus Ith in Niedersachen vergleichbare Noppenringe aus der Bronzezeit. Diese sind aber nicht aus Gold, sondern aus einfachem Bronzedraht. Da solche kleinen Ringe bei der Bergung im Kopfbereich der bestatteten Person lagen, scheinen sie auch den Kopf geschmückt zu haben. Sie wurden wahrscheinlich direkt im Haar oder auf einem Kleidungsstück – in Schläfennähe – getragen.

Ringe aus Gold waren aufgrund ihres Materialwertes nur einem kleinen Personenkreis vorenthalten. Ob sie damals schon ein Symbol für Macht und Schönheit waren, lässt sich heute schwer sagen. Aber durch die Kombination mit den anderen Beigaben, dem Kurzschwert und dem Beil, lässt sich über den Besitzer dieses Noppenrings sagen, dass es sich wahrscheinlich um einen sehr wohlhabenden Mann gehandelt haben muss.

Nicht nur Schmuck – Die Symbolik von Ringen

Ob am Finger, am Arm, am Fuß, am Ohr, an der Nase oder an der Schläfe, Ringe werden bereits seit langer Zeit als Schmuck getragen, welcher dabei häufig auch eine symbolische Funktion besitzt.

Abb. 4: Fischerring © Lapaire/ Augustyn 1990, Sp. 283, Abb. 6.

Die ältesten bekannten Exemplare stammen aus der Altsteinzeit (300.000–9.500 v. Chr.). Sie bestanden meistens aus organischem Material wie Knochen oder Holz und wurden sowohl an Fingern als auch an Armen getragen. Seit dem Beginn der Bronzezeit (ca. 2.200 v. Chr.) werden Metalle als Material für Ringe genutzt. Man geht davon aus, dass sie seit dem Ende der Jungsteinzeit (ca. 5.500 v. Chr.) an symbolischer Bedeutung gewinnen, als Zeichen von Würde, Ansehen und realer Macht. Besonders auffällige Hals- und Armringe lassen sich als deutliche Symbole von Rang und Macht verstehen.

Die Funktion von Ringen als Insignien (Herrschaftszeichen) hat sich in manchen Bereichen noch bis heute erhalten. Als Beispiel dafür lässt sich der „Fischerring" des Papstes nennen. Dabei handelt es sich um einen Siegelring, auf dem Apostel Petrus beim Fischfang zu sehen ist. Bis 1843 nutzten Päpste dieses Schmuckstück, um Briefe zu versiegeln. Heute ist er von rein symbolischer Bedeutung. So küssen Gläubige ihn als Zeichen der Achtung und Verehrung des Papstes. (Abb. 4)

Abb. 5: The third gift - an enormous hammer by Elmer Boyd Smith © Brown, Abbie Farwell: In The Days of the Giants. A Book of Norse Tales, Whitefish 1902, S. 88.

Teilweise wird dem Ring selbst eine Macht oder magische Kraft zugesprochen. Solche Exemplare stehen im Zentrum vieler Sagen und Mythen. So besitzt Odin den goldenen Zauberring Draupnir (Abb. 5), von dem in jeder neunten Nacht acht gleichwertige Ringe abtropfen. Ein weiteres Beispiel aus der nordischen Mythologie ist der Andvaranaut, welcher wie Odins Ring ebenfalls Reichtum bringt, aber von seinem ehemaligen Besitzer verflucht wurde, jedem den Tod zu bringen, der ihn erwirbt. Ein besonders prominentes, literarisches Beispiel für ein magisches Schmuckstück ist „Der eine Ring“ aus J.R.R. Tolkiens „Herr der Ringe“. Hier verleiht er seinem Träger Macht. Wird er aber von jemand anderem als Sauron getragen, übt der Ring einen unheilvollen Einfluss auf den Träger aus.

Als weitere Funktion können Ringe ein Zeichen der Verbundenheit sein. Ein Gedanke, der sich auch heute noch in Form der Eheringe wiederfindet. Bekannt ist dieser Brauch bereits seit der römischen Antike und lässt sich in vielen Kulturkreisen erkennen.

Womit die Menschen damals den Noppenring von Bad Wünneberg-Leiberg verbanden, lässt sich heute nicht mehr genau sagen. Trotzdem scheint er mehr zu sein, als nur ein einfaches Schmuckstück. Wenn ihr euch dieses besondere Stück selbst einmal ansehen wollt, findet ihr es momentan noch in der Dauerausstellung. Ab September wird der Noppenring gemeinsam mit den anderen Funden aus dem Hügelgrab in der Sonderausstellung „Stonehenge“ zu sehen sein.

Theano Schuff, studentische Praktikantin

Literatur:

- Berenger, Daniel: Was gibt man dem verstorbenen Mann zu Beginn der Bronzezeit ins Grab, in: Berenger, Daniel; Grünewald, Christoph (Hrsg.): Westfalen in der Bronzezeit 16, Münster 2008, S.16.
- Capelle, Thorsten: Runde Sache(n). Ringe aus Westfalen, Steinfurt 2012.
- Herring, Beate: Die Gräber der frühen bis mittleren Bronzezeit in Westfalen (Bodenaltertümer Westfalens 48), Mainz 2009.
- Lapaire, Claude; Augustyn, Wolfgang: Art. Fischerring, in: RDK IX (1990), S. 278–284.
- Meller, Harald; u.a. (Hrsg.): Ringe der Macht (Begleithefte zu Sonderaustellungen im Landesmuseum für Vorgeschichte Band 7), Langenweißenbach 2019.
Naumann, Hans Peter: Art. Draupnir, in: RGA 6 (1986), S. 152–154.
- Rind, Michael: „Ein Ring, sie alle zu knechten … und ewig zu binden“. Ein goldener Noppenring im Männergrab, in: LWL-Archäologie in Westfalen (Hrsg.): 100 Jahre/100 Funde. Das Jubiläum der amtlichen Bodendenkmalpflege in Westfalen-Lippe, Darmstadt 2020, S. 98 f.
- Tolkien, J.R.R.: Der Herr der Ringe, Stuttgart <m:r>2020 (10. Auflage).</m:r>