Mikrokosmos Ausstellung – Wie holt man das Draußen nach Drinnen? (Stonehenge - Blick in den Aufbau Teil I)

02.08.2021 Tabea Malter

Großbaustelle "Sonderausstellungshalle" (Bild: LWL/Tabea Malter)

„Das gehört in ein Museum!“ Recht hat Indiana Jones mit seinem berühmten Ausruf. Aber wie kommt es da hin? Wer sorgt dafür, dass archäologische Fundstücke in einer sicher verschlossenen, klimatisch stabilen und gut ausgeleuchteten Vitrine inmitten einer durchdacht designten Ausstellungslandschaft enden? Und was ist dafür alles zu tun? Der gute Prof. Jones überlässt das sicher Profis. Klar, er hat auf seinen Abenteuern auch schon genug zu tun. Die Planung und der Aufbau einer Ausstellung können aber ähnlich abenteuerlich sein. Zugegeben, von Peitschen wird dabei seltener Gebrauch gemacht. Die wichtigste Waffe im Arsenal von Ausstellungsmanager:innen ist vielmehr der Zollstock. Klingt langweilig, meinen Sie? Warten Sie nur ab …

Die Aufgaben eines Volontariats sind schier unendlich.

Die Stellenbezeichnung „wissenschaftliche Volontärin“ hat einen ähnlich aufregenden Klang wie die Aussicht auf eine Woche Kopierdienst im Katasteramt Wanne-Eickel, aber dahinter verbirgt sich ein äußerst spannendes und vielfältiges Berufsfeld. Eine Sonderausstellung vorzubereiten bedeutet nicht einfach, aus einer Sammlung von Objekten ein paar hübsche Exemplare auszuwählen und sie in bereitgestellten Vitrinen zu platzieren. Dass der Eindruck entstehen könnte, ist aber verständlich, denn die Gestaltungsplanung und der Bau der Ausstellung sind ein ganz konkreter, direkt sichtbarer Teil der Ausstellungsarbeit. Daneben stehen die inhaltliche Arbeit am Thema einer Ausstellung, die redaktionelle Arbeit am Ausstellungskatalog und an weiteren Publikationen, Marketing, Vermittlungsprogramm, Verwaltung, Fundraising, Leihverkehr und diverse weitere Aufgabenbereiche. Für viele davon gibt es Spezialist:innen an einem Museum, ohne die das alles nicht zu schaffen wäre. Beim Team der Projektleitung, zu dem die wissenschaftliche Volontärin gehört, laufen alle Fäden zusammen. Am Anfang eines Ausstellungsprojekts steht eine Idee und eine (im besten Fall) leere Halle. Aus diesem „Nichts“ wird in jahrelanger Arbeit eine kleine Welt geschaffen, die Besucher:innen durchwandern und bestaunen können.
Im Fall der Sonderausstellung „Stonehenge – Von Menschen und Landschaften“ steckt die Idee schon im Titel. Es geht darum, den Blick von dem berühmten Monument auf seine Umgebung und die Menschen, die sie geprägt haben, zu erweitern und die Landschaftsgestaltung seit der Jungsteinzeit nicht nur in England, sondern auch in Westfalen zu betrachten. Aber wie stellt man ganze Landschaften aus? Wie ermöglicht man es den Leuten, die Salisbury-Ebene zu besuchen, ohne nach England zu reisen und ohne von Jahreszeiten und Wetter abhängig zu sein? Da wir glücklicherweise eine außergewöhnlich große Ausstellungshalle haben (800 m² Fläche, über 10 m hoch), hat sich uns in Herne eine seltene Gelegenheit geboten: Wir können die Wirkung eines Landschaftsbauwerks „indoor“ erfahrbar machen. Wir bauen das monumentale Erlebnis von Stonehenge nach!

Entwurf der Gestaltungsplanung von Erich Woschitz

Ein paar grundsätzliche Gestaltungselemente der Ausstellung - von Achsen und Kreisen, Gräben und Erdwällen … 

Grundlegend ist dafür die Idee des Ausstellungsgestalters. Eine Hauptachse läuft vom Eingang bis zur rückwärtigen Wand diagonal durch die Halle. Sie symbolisiert die Achse zwischen Sonnenuntergang zur Wintersonnenwende und Sonnenaufgang zur Sommersonnenwende – den beiden Punkten, auf die Stonehenge ausgerichtet ist. Die Achse bleibt von allen Ausstellungseinbauten frei. Auf beiden Seiten schließen sich an sie die Vitrinenbauten an. Sie bilden ein System aus Gräben und Erdwällen nach, die kreisförmig um Stonehenge herum angelegt sind. Die Gräben und Wälle sind unterbrochen, sodass die Besucher:innen zwischen den Segmenten immer weiter, quasi in Serpentinen, auf den Steinkreis zuwandern können. Die Exponate und Medienstationen der Ausstellung sind auf den Segmenten in chronologischer Reihenfolge angeordnet, sodass der Gang durch die Ausstellung gleichzeitig eine Reise durch die Zeit und durch die Landschaft rund um Stonehenge ist. Deren Höhepunkt ist der Aufstieg über eine Rampe auf ein Podest, auf dem der innere Teil von Stonehenge, das sogenannte Hufeisen, in seiner realen Dimension nachgebildet ist. Die bis zu 7 m hohen „Steine“ sind basierend auf 3D-Daten des Monuments angefertigt worden und entsprechen den Originalen zentimetergenau. Aber wie sie gebaut worden sind, verrate ich jetzt noch nicht, das hebe ich mir für einen späteren Blogartikel auf (bleiben Sie dran, damit Sie ihn nicht verpassen!).

 

Die Farbpalette reicht von grasgrün über sonnengelb bis himmelblau

Um den Eindruck einer Landschaft zu kreieren, setzen wir gezielt Licht, Farben und Materialien ein. Der Boden wird von einem grünen, weichen Kunstrasen bedeckt, der wie die sanfte Graslandschaft rund um Stonehenge an die „Wälle“ der Vitrinenarchitektur und die riesigen Steine heranwogt. Die „Wälle“ sind bewusst kantig geschnitten und in Grautönen gestrichen, denn ihre Vorbilder bestehen aus Kreidestein, der aus dem Untergrund herausgebrochen wurde. Um die Tiefenwirkung des Raumes zu verstärken, sind die Einbauten im vorderen Teil der Halle dunkler gestrichen als im hinteren Teil. Der Blick über die Landschaft der Ausstellung wird also wie bei einem realen Blick in die Ferne mit zunehmender Distanz heller und verwaschener. Unterbrochen wird das Panorama jedoch mittendrin von einer sonnengelben halbkreisförmigen Wand, die das Innere des Steinkreises von der Halle trennt. Ihre Innenseite dient als 4 m hohe Projektionsfläche, die den nachgebauten Teil von Stonehenge mit einer Ansicht vom Rest des Monuments sowie seiner umgebenden Landschaft ergänzt. Ihre gelbe Außenseite symbolisiert die Sonne, von deren vermeintlicher Wanderung im Laufe des Jahres unser Lebensrhythmus abhängt. Die Hallenwände sind dagegen himmelblau gestrichen und werden mit speziellen LED-Strahlern mit einer Lichtstimmung versehen, die einen realistischen Tagesverlauf nachstellt. So wird das Gefühl, sich durch eine weite Landschaft zu bewegen, perfekt.

Der erste Probeanstrich (Bild: LWL/Tabea Malter)

Alle ziehen an einem Strang  vom Maler bis zum Teppichexperten

Wir holen also nicht nur archäologische Fundstücke, sondern eine ganze Landschaft in unsere Ausstellungshalle. Was am Ende so harmonisch aussehen wird, wird das Ergebnis harter Arbeit vieler Beteiligten sein. Nachdem die letzte Ausstellung abgebaut und die Halle leergeräumt war, begannen die Arbeiten an „Stonehenge“ direkt im Anschluss. Tischler, Modellbauer und Haustechniker bauen seit Februar 2021 das komplexe System der Kreisgrabensegmente, die Projektionswände sowie das Podest und verlegen auch Kabel und Stromschienen für die zahlreichen Medienstationen. Unter dem Dach der Ausstellungshalle wurde ein Raster aus Traversen für die Lichtstimmung und weitere Beleuchtung der Ausstellung aufgehängt. Maler haben die von der letzten Sonderausstellung (Pest!) noch dunkel-anthrazitfarbenen Wände in ein freundliches Hellblau verwandelt und streichen nun auch die Einbauten in der Halle wie oben beschrieben. Spezialisten für Teppiche und Bodenbeläge werden den grauen Industriestrich in eine grüne Graslandschaft verwandeln. So wächst die Landschaft von Stonehenge in unsere Ausstellungshalle hinein und ich werde Ihnen in den kommenden Wochen weiter davon berichten. Noch bleibt viel zu tun, aber alle Beteiligten sind sich sicher: Das Ergebnis wird sich sehen lassen können!

Also, was meinen Sie? Klingt doch gar nicht so schlecht, oder?

Hier geht es zur Homepage der Sonderausstellung